Archive for April 2011


Kierkegaard als Bild

April 25th, 2011 — 5:13pm
Sprung zum Glauben

Sprung zum Glauben

„Sjelden høres en alvorligere Røst, der formaner Enhver at tage mod Livets Underviisning og at lade sig opdrage i Gjenvordighedens Skole, en prøvet Tale, der med al Eftertryk spørger: skulde en Riig frelses, skulde den Mægtige gaae ad den trange Vei, skulde den Lykkelige fornegte sig selv, skulde den Lærde og Kloge annamme den foragtede Sandhed.“

(Søren Kierkegaard: Tre opbyggelige Taler, Kjøbenhavn 1843, S. 46)

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Trump, Bohlen, Berlusconi

April 20th, 2011 — 3:30am

„Manche Hähne glauben, daß die Sonne ihretwegen aufgeht.“
(Theodor Fontane: Fundstelle des Zitats nicht ausgewiesen)

Es ist keineswegs ein Zeitgeistphänomen, daß ein Sieger und Himmelsstürmer sich zunächst und zuvörderst als ebensolcher inszeniert – und damit (sich) den Weg ebnet zu Werdegang und Fortkommen. Nicht umsonst ist die Geschichte vom Emporkömmling aus der Dürftigkeit paradigmatisch für unser Verständnis von Erfolg; der „amerikanische Traum“ schließt in sich das klassische Narrativ von Streben und Disziplin, Biß und Tatkraft, aber auch immer auch ein Bewußstein von Selbsterwählt- und Selbstbestimmtheit des jeweiligen Geschicks; neben die Hoffnung tritt die Hybris.

„Ich hatte damals und habe heute noch eine unbegrenzte Hochachtung vor dieser unbestürmbaren Sicherheit gewisser Menschen, deren Selbstbewußtsein niemals zu weichen scheint, und obgleich ich wohl weiß, daß sie es sehr oft allein den Beschränkungen ihres Wesens verdanken und der glücklichen Blindheit für alle Hindernisse und für die Hemmungen der Andächtigeren, bleibt die Wirkung im Augenblick doch bestehen. Die Unfähigkeit solcher Menschen, einen Fehler bei sich vermuten zu können, gibt ihnen in den ärmlichen Schranken einer praktischen Frage oft einen Halt und Kraft zu raschen Entscheidungen, wie überhaupt nun einmal im Lauf der Welt ein mit Geschicklichkeit verbundener Nachteil oft weit mehr gilt und ausmacht als ein mit Ungeschick gepaarter Vorteil.“

ex: Waldemar Bonsels: Menschenwege, in: Notizen eines Vagabunden
Verlag von Th. Knaur Nachf., Berlin 1930, S. 9

Wie trefflich charakterisiert hier der uns heute fast gänzlich in Vergessenheit geratene Waldemar Bonsels jenen Zug, der erlaubt, Mittelmäßigkeit des Talents umzumünzen in (beruflichen, medialen, politischen) Aufstieg, aus Selbstüberschätzung eine Success Story zu spinnen und Verdienst und Anerkennung in der Errungenschaft des Leidlich-Gewöhnlichen zu generieren. Es ist das Selbstbewußtsein als Dafürhalten und Statement, nicht jenes im ersten, direkteren Sinne, das in Reflexion dauert und kümmert und kauert, sondern dieses, das überbordend, unbegrenzt und quasi apotheotisch die Gestalt der Selbstbehauptung annimmt, des Status, des sich Erfindens. Setzt es sich in Szene, geriert es rasch zum Bluff, Bockmist also oder Bull.

„The average millionaire is only the average dishwasher dressed in a new suit.“
(George Orwell: Down and Out in Paris and London, London 1933)

Hinzu gesellt sich ein markant materielles Verständnis von Ruhm und Vermögen. Wer die Gelegenheit am Schopf greift, und wer nur daneben steht, darin scheidet sich, wer auf Gedeih und Verderb im Weh bleibt und wer im Wohl zu seines eigenen Glückes Schmied wird. Dies Versprechen und Bekenntnis, das selbst eine unvergleichliche, unbeirrbare Erfolgsgeschichte ist, spornt jenen an, der sich im Vorbild verkörpert sieht und sehen will (als künftiger Geschäfts- oder Staatsmann, Medienmogul oder Duce), es inspiriert und erzieht zum Glauben – an sich und nochmals an sich selbst.

Einlösen können werden es nur wenige. Erfolg bleibt, in all seiner Gewöhnlichkeit heutigen Zuschnitts, emblematisch.

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Bos taurus humanus

April 15th, 2011 — 9:20pm

Eine simple Überschlagsrechnung, samt eines vielleicht naiven, aber gutherzigen Vorschlags:

Im Mittel verzehrte jeder Deutsche im Jahr 2009 60,5 Kilogramm tierischen Fleisches; in Summe waren dies effektiv 4,961 Milliarden Kilogramm, also knapp 5 Millionen Tonnen Fleisch, ausgedrückt in Schlachtgewicht. (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2009/10, S. 29) Etwa die Hälfte des Durchschnittsverzehrs, nämlich 30,4 Kilogramm, entfiel hierbei auf Fleischerzeugnisse wie Wurstwaren, Pasten oder Schinken. (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2009/10, S. 32) Der Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten findet in diesen Zahlen keine Berücksichtigung.

Nehmen wir der Einfachheit halber an, die Hälfte der deutschen Bevölkerung sei dadurch hinreichend charakterisiert, daß sie (a) Fleisch konsumiere, das sind also knapp 40 Millionen Esser, deren Fleischverzehr großteils durch Rind-, Schweine- und Geflügelzucht abgedeckt wird, und (b) daß diese 40 Millionen bereit seien, mittels eines kleinen Opfers Verzicht zu üben, bspw. an einem Tag in der Woche zusätzlich auf tierisches Fleisch zu verzichten. (Mit diesen Annahmen sei zugestanden, daß es durchaus manchen Fleischesser geben mag, der keinen Verzicht üben will oder solchen generell in Abrede stellt.) Ein durchschnittlicher Fleischkonsum von 1,16 kg / Woche entspricht einem Verzehr von circa 150-200 Gramm / Tag. Der Einfachheit halber sei der untere Wert gewählt, es werde also auf 150 Gramm / Woche verzichtet.

Wenn nun 40 Millionen Personen je Woche einmal z.B. auf den Verzehr von Rindfleisch und Rindfleischprodukten verzichteten, dann beliefe sich die eingesparte Menge an Rindfleisch im Jahr auf 40 Mio. x 52 x 0,15 kg, d.h. 312000 Tonnen Rindfleisch.

Zum Zeitpunkt der Schlachtung betrage, wiederum der Einfachheit halber, das durchschnittliche Lebendgewicht eines Fleischrindes nach der Mast circa 750 Kilogramm, d.h. eine dreiviertel Tonne, und dies sei äquivalent zum Schlachtgewicht.

(Diese Zahlen sind deutlich positiv überschätzt:

(1) Zum einen variiert das Lebendgewicht abhängig von Geschlecht, Alter und Rasse des Tieres und kann realistischer mit 550-750 kg angesetzt werden. Leitend sind folgende Angaben: „Die Jungbullenmast ist die bedeutendste Produktionsmethode in Deutschland.“ (Quelle: Wikipedia-Artikel: Rinderproduktion) „Verbreitete Fleischrassen sind beispielsweise Hereford, Charolais und Limousin.“ (Quellen: Wikipedia-Artikel: Hausrind, Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.: Übersicht Fleischrinderrassen))

(2) Zum anderen wird in der Fleischproduktion zwischen Lebend- und Schlachtgewicht unterschieden, wobei letzteres „gesetzlich festgelegt [ist] als das Warmgewicht des geschlachteten und ausgeweideten Tieres“, sich also ergibt aus dem Abzug von „Haut, Blut, Magen, Därme[n], Kopf, Füße[n], Innereien und Fett“. (Quellen: Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e. V.: Agrarlexikon: Schlachtgewicht, Proviande / Schweizer Fleisch: Fleisch hat seinen Preis, S. 2) So beträgt das Schlachtgewicht beim Rind circa 50 % des Lebend- oder Mastgewichts, und 2010 wurde für Rinder z.B. ein mittleres Schlachtgewicht von 317 Kilogramm erfaßt. (Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt: Fleischproduktion 2010) Diese Unterscheidung sei in dieser Überschlagsrechnung aber vernachlässigt.)

Hier ist nun aber ein weiterer Aspekt zu beachten: In den tatsächlichen menschlichen Verzehr gelangen in der Fleischproduktion nur knapp zwei Drittel des Schlachtgewichts eines Schlachttieres, „da vom Schlachttierkörper wesentliche Teile wie Knochen, Sehnen oder Schwarten entweder nicht verzehrsfähig sind oder als Fette und sonstige Rohstoffe zur Weiterverarbeitung in die chemische Industrie gelangen“. Zudem werden „erhebliche Teile der verzehrsfähigen Menge an Fleisch und Innereien direkt an Tiere verfüttert oder gehen in die industrielle Tierfertignahrungsproduktion“. (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2009/10, S. 29)

Somit muß die oben hergeleitete Menge an eingespartem Rindfleisch mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden, um, ausgedrückt in Schlachtgewicht, die tatsächliche Anzahl an Tieren zu errechnen, die ein Verzicht auf Fleischverzehr einsparen und der industriellen Verwertung entziehen würde:

312000 x 1,5 Tonnen Rindfleisch entsprechen also (mindestens) 468000 x 4/3 Tieren (zu je einer dreiviertel Tonne), d.h. 624000 Stück Vieh, die durch einen Verzicht, der nicht anders als maßvoll und minimal bezeichnet werden kann, der Rindfleischproduktion und Schlachtung entzogen werden könnten, und dies unter sehr bescheidenen Annahmen. (Entsprechend abgewandelte Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man Geflügel oder Schwein betrachtet, deren geringeres durchschnittliches Einzelgewicht nach Mast in der Folge ein erheblich höheres Einsparpotential erwarten läßt.)

Für einen Fleischesser, wie ich einer bin, stellt diese Überschlagsrechnung ein durchaus überzeugendes Argument dar, Fleisch, wenn ich es verzehre, zu genießen, aber dennoch immer wieder mir und meinem Körper etwas Gutes zu tun und einen kleinen Beitrag zu leisten, indem ich ein- oder mehrfach die Woche auf den Verzehr von Fleisch verzichte und mein kulinarisches Angebot variiere. Das Leid der Tiere anzuführen oder Umwelteffekte der Rindfleischproduktion (vgl. FAO-Report: Livestock’s Long Shadow, Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus: Ökobilanz), ganz zu schweigen von (in aller Regel kontraproduktivem) ideologisierendem militantem Vegetarismus, ist hierbei gar nicht vonnöten.

Mein Vorschlag lautet also: Sag nein zu Fleisch an dem einen oder anderen Tag; in der Summe danken es Dir viele, viele Tiere.

Mit Dank an BioBella hier zwei Verweise auf Projekte, die einen fleischlosen Tag die Woche befördern wollen:
Meat Free Monday Kampagne
Initiative Donnerstag – Veggietag

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