Troen en Anfægtelse

Betrachtet man, wie die Feuilletons rascheln ob der Veröffentlichung von Richard Dawkins’ The God Illusion, wie Kulturberufene ein jeder Couleur sich bemüßigt fühlen zum Diskurs, wie das Buch vom Gotteswahn die Bestsellerlisten bestürmt und an der Spitze Platz nimmt neben Benedikts XVI Alter ego Joseph Ratzingers theologischem Lesebuch von Jesus von Nazareth, so bedarf es doch einiger Anmerkungen und Leitlinien als Präliminarien.

Erst einmal scheint der Erfolg solcher Literatur einen Mangel, wenn nicht gar Defekt der säkularisierten Gesellschaft zu belegen: Erweist die postmoderne Hybris sich möglicherweise doch als Bastardisierung aufklärerischer Tradition? Einer Praxis, deren Gestus sie übernahm, ohne aber ihre Methode dialektisch-kritisch zu begleiten? Der atheistische Impuls hat das Gros der Gesellschaft weit über ihre Emanzipation von klerikaler, religiöser und hoheitlicher Bevormundung hinausgetragen in eine materiell ad nauseam nicht aufzufüllende Leere und Entäußerung. Institutionell geläutert hat sie sich nicht: An die Stelle der Mater ecclesia ist ein Zerrbild der Wissenschaften getreten, die neue Religion wird in den Akademien vollzogen. Leider wird ihre Doktrin vermehrt – unkritisch – auch nach außen – medialiter – gepredigt.

Der Diskurs, welcher wenig originell Fortschrittsgläubigkeit und Wissenschaftsglauben neu zu positionieren glaubt contra Religion und Lehre des offenbarten Gottes, ist altbekannt und ermüdend, verfängt er sich doch in Sprachspielen und wird beiderseits in einem eigentümlichen Dogmatismus vollzogen. Kurios hierbei ist die Argumentation der dem eigenen Verständnis nach progressiven Partei: Ihre These firmiert unter dem Anspruch, unvoreingenommen initiiert zu werden und genuin wissenschaftlicher Praxis zu genügen. Sind es Unkenntnis oder Verdrängung, welche sie konstruktive wissenschaftstheoretische Beiträge à la Feyerabend oder Kuhn ausblenden läßt zugunsten szientistischer Reduktion?

In einem hervorragenden Beitrag läßt das NRK Bokprogrammet unter dem provokanten Titel Befri oss fra Gud führende Vertreter des europäischen Atheismus neuester Prägung im Gespräch mit Hans Olav Brenner zu Wort kommen: den französischen Philosophen Michel Onfray, dessen Savoir-vivre und Stilismen ihn sich treffsicher als Atheiste-du-jour inszenieren lassen, Richard Dawkins, der, nachdem er vom Zoologen umgesattelt hat auf selbstapprobierten philosophischen Multiplikator der atheistischen Bewegung, in beständiger eitler Pose sich ergötzt, und – als erfrischend andere, versöhnliche Ergänzung des Trios atheistinale – die wundervoll alterweis ironische Diana Athill, welcher die Scheu abgeht, auch mit sich selbst augenzwinkernd zu brechen, und die so in ihren alterstrotzigen Thesen Hoffnung auf Selbstkritik weckt. Ihr einzig ist ihre lebensbejahende Haltung und Freude abzunehmen als lachender Verweis über sich hinaus.

Ansonsten wird man schon ein wenig ungläubig, daß so schlichter Unglaube soviel Aufmerksamkeit auf sich zieht und Aufregung erzeugt. Über Feuerbach treten die positivistischen Thesen der versammelten Intelligenz nicht hinaus. Dawkins und Onfray zumindest ist zu bescheinigen, daß sie sich glänzend verkaufen in ihrer Melange aus (pubertär-) elitärem Duktus, kanonischem Hochmut und intellektuellem Schlingerkurs. Dawkins, wie auch immer, kommt nicht so leicht vom Haken, wenn NRK sein Mäandrieren kontrastiert und alterniert mit Thomas Hylland Eriksens sachlich-rasanter Gegenrede und seine evasorischen Manöver als solche entlarvt, oder schlimmer noch: als beständige Variation eines argumentum ad hominem.

Hätten sie doch nur einmal Kierkegaard gelesen, diese Heilsverkünder, die in ihrer Pathologisierung des Glaubens uns von demselben befreien wollen und in der monotheistischen Religion einen epidemisch-viralen Charakter (eines Mems) offenzulegen glauben, und auch die nach innerlicher Wiederauffüllung lechzende, lesende Öffentlichkeit gewönne weitaus mehr (und unterhaltsamer) von der Lektüre des Kopenhagener Ironikers und Zweiflers denn von der Behelfsliteratur vorgenannter Autoren. So schreibt er in Frygt og Bæven schon 1843 bemerkenswert Erhellendes und mit bemerkenswerter Hellsicht:

At forklare hele Tilværelsen, Troen med, uden at have en Forestilling om hvad Troen er, er let, og den calculerer ikke slettest i Livet, der regner paa Beundring, naar han har en saadan Forklaring; thi det er som Boileau siger: un sot trouve toujours un plus sot, qui l’admire.*

*: Das ganze Dasein, den Glauben mit eingeschlossen, zu erklären, ohne daß man eine Vorstellung vom Glauben hat, das ist ein Leichtes, und derjenige kalkuliert nicht am Schlechtesten im Leben, der auf Bewunderung rechnet, wenn er eine solche Erklärung hat; denn es ist, wie Boileau sagt: un sot trouve toujours un plus sot, qui l’admire [ein Dummkopf findet immer einen größeren Dummkopf, der ihn bewundert].

(Søren Kierkegaard: Furcht und Zittern, Reinbek bei Hamburg 1967, S. 51)
Faksimile der Danske Klassikere-Ausgabe

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 10.09.2008.]

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