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Kathrin Schmidt: –
Poesiealbum 179
Verlag Neues Leben, Berlin 1982

beg, bee: 28.07.2008, 28.07.2008

Die Poesiealben des Verlags Neues Leben versammelten in der DDR von 1967 an, mit Augenmerk auf Schreiber des Ostblocks, in schmalen Heftchen namhafte wie auch junge neue Dichter, mit Auswahl- und Erstlingswerken. Dieser Band 179 der Reihe ist das Debüt der 1958 in Gotha geborenen Schriftstellerin Kathrin Schmidt, deren lyrisches Werk mir soweit unbekannt war, und beweist jugendliche Wortgewalt und Empfindsamkeit, welche ungewohnt scheint mit Blick auf die sterile, fast technische Methodik heutigen Dichtens. Sprachliche Experimente werden nur am Rande vorgeführt, zeugen aber in ihrer sparsamen Verwendung von der erstaunlichen Versiertheit der anno ‘82 23-, 24-jährigen Autorin; das Hauptmoment liegt auf eindrücklichen Bildern von Liebe, Verlust, Abschied und sinnlichem Wunsch, die einer unbändigen Lebenslust entspringen, wie sie ein jedem jungen Menschen innewohnt, so offen in die Begegnung mit Lebensangst und Lebenshunger aber nur selten ausgetragen wird. Der Übergang hyperrealistischer Detailtreue hin zum entfesselten Assoziationsspiel vollzieht sich mit jugendlicher Kraft, deren Verletzlichkeit im Balanceakt glaubhaft dem Leser angetragen wird und ihn faßt: Erinnerung, die sich in Lektüre vollzieht. Wie Kathrin Schmidt erdigen Metaphern eine facettenreiche, träumerisch-leichte Qualität abgewinnt und das Fährnis blutleerer Abstraktion umschifft, verspricht, dem “menschlichsten Fleisch” eine neue, schöpferisch-kraftvolle Stimme zu geben: der Sprache selbst. Im Verweisspiel mancher Texte scheint zuweilen auch eine politische Ebene auf – impliciter, genuin persönlich -, die zeitübergreifend bleibt und so weiterhin gültig den Anspruch freier dichterischer Sphäre und Menschlichkeit behauptet – gegen die Zeit und gegen die Umstände. Daß in der DDR eine solche Reihe wohledierter Lyrik monatlich aufgelegt wurde, zu “erhalten [..] an Zeitungskiosken und in jeder Buchhandlung”, läßt mich Vergleichbares in der heutigen kahlgefegten Lyriklandschaft umso mehr schmerzlich missen.

Auszug: Unterwegs zu meiner Mutter
weitere Empfehlungen: Heilkraut; Vorm Bäcker; Es ist kein Zweifel; Aufzug am Horizont

32 Seiten, Heft
dt.-sprachig
Lyrik, Literatur, DDR

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 28.07.2008.]

Category: Libri L | Tags: | estienne210 Comment »


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