Archive for Juli 2009


Luminös

Juli 27th, 2009 — 3:20am

Zu Unrecht ist der seinerzeit als „einer der größten Philosophen“ (gemäß Pierre Bayle) benannte Nicolas Malebranche ins Vergessen geraten; zählten die Beiträge des Cartesianers doch zu den bedeutsamsten erkenntnistheoretischen und naturwissenschaftlichen Schriften des 17. Jahrhunderts. In regem Austausch stand der französische Theologe mit Zeitgenossen wie Gottfried Wilhelm Leibniz, war vertraut mit den Neuerungen der newtonschen Mathematik und Physik und hatte entscheidenden Einfluß auf das Denken nachfolgender Philosophen wie z.B. George Berkeleys subjektiven Idealismus oder, wenn auch bei diesem letzteren zum Gutteil verkannt und ex negativo, den Kausalitätsskeptizismus David Humes.

Historia lux veritatis – Veritas historiae lucis

Neben seinen Argumenten zugunsten des Okkasionalismus und theologischen Pantheismus, von der Zeit überholt und oftmals belächelt, sind es gerade auch Malebranches Überlegungen zur Naturphilosophie, die es wert sind, gelesen zu werden. So stellte er nur wenige Jahre nach Isaac Newton, und unabhängig von diesem, in Analogie zum Schall eine Schwingungstheorie des Lichts auf und entwickelte in seiner Optik das cartesianische System von den Partikeln (Globulen) fort. Um dieses Erkenntnisgewinns willen und als kleine Auffrischung der Wissenschaftsgeschichte, wird im folgenden Malebranches Traktat über Licht und Farben bereitgestellt, welcher in der zweiten Auflage der englischsprachigen Ausgabe seiner Recherche de la vérité (Search after Truth, London 1700) erstmalig veröffentlicht wurde.

Text: Malebranche’s Treatise Concerning Light and Colours:
Faksimile (3,5 MB) (PDF-Dokument)
Abschrift (204 kB) (PDF-Dokument)

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mmix.xix

Juli 25th, 2009 — 6:13am

N.N. (= Wilhelm Schölermann (Hrsg.)): Vlaemische Dichtung
Eine Auswahl im Urtext und in Übersetzung
Eugen Diederichs, Jena 1916

beg, bee: 20.07.2009, 21.07.2009

Belgien, das ist eine parlamentarische Monarchie im Herzen Europas, Benelux-Staat und Stammsitz europäischer Institutionen; ein Land mit deftig-rustikaler Küche und Haut cuisine, einem Faible für Pommes frites und mehr als 1000 verschiedenen Starkbieren, darunter das fruchtige Kriek, das dunkle Oud Bruin und das bernsteinfarbene Tripel der Trappisten von Chimay; Belgien, schließlich, das ist die Heimat von Tim & Struppi (oder wie Hergé sie nannte: Tintin et Milou), der Schlümpfe und des wortkargen Revolverhelden Lucky Luke und seines getreuen Begleiters Jolly Jumper. Belgien ist aber auch, seit es sich in der „belgischen Revolution“ von 1830 vom Vereinigten Königreich der Niederlande lossagte, von Anfang an ein Land des Sprachenstreits, des Gegensatzes zwischen der frankophonen wallonischen Minderheit im Süden und den niederländischsprachigen Bewohnern Flanderns. Dieser Konflikt, der seit dem 19. Jahrhundert schwelt und der den nach fünf Reformen in den letzten 40 Jahren reichlich föderalen Staat regelmäßig an den Rand der Auflösung bringt, hat ökonomische, kulturelle und auch politische Gründe, die das Land besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch immer wieder zum Spielball ausländischer Interessen werden ließen. 1914, mit Beginn des 1. Weltkrieges, marschierten deutsche Truppen unter Mißachtung belgischer Neutralität ein, um den französischen Feind von Norden her zu umklammern. Dieser 1905 entwickelte, wenn auch von Moltke adaptierte Schlieffen-Plan provozierte den Kriegseintritt Großbritanniens und die Katastrophe des großen europäischen Krieges.

Flankiert wurden die militärischen Operationen an der Westfront im Deutschen Reich durch die sogenannte Flamenpolitik, den Versuch, Unterstützung durch ein deutschfreundliches Flandern zu gewinnen, indem das gemeinsame „geistige Band zwischen Deutschtum und Vlamentum“ (Stockey) betont und die flämische Sprache und Literatur als der deutschen eng verwandt neuentdeckt wurde. Daß jene im jungen belgischen Staat der französischen Amtssprache nachgeordnet war, wurde als Beleg des Herrschafts- und Vormachtsanspruchs der „Welschen“, d.h. der Wallonen, angeführt. Unter diesem Vorzeichen verlegte der Jenaer Eugen Diederichs Verlag anno 1916 die vorliegende zweisprachige Anthologie in einem schmucken Pappband mit einer Umschlagzeichnung des Posener Illustrators Fritz Helmuth Ehmcke. Es finden sich darin mit Emmanuel Hiel, Albrecht Rodenbach und Theodoor Sevens kämpferische, nationalistische Stimmen, deren Dichtung ein ums andre Mal den flämischen Gründungsmythos beschwört: die Goldene Sporenschlacht bei Kortrijk, als 1302 ein flämisches Infanterieheer aus Bauern und Zunfthandwerkern die französische Kavallerie unter Robert Graf von Artois vernichtend schlug. Neben solch flämisch-nationalen Anklängen spiegelt die Gedichtsammlung die stilistische Bandbreite des späten 19., frühen 20. Jahrhunderts wider mit der Naturlyrik eines Guido Gezelles, den historisierenden Versen Willem Gijssels und der naiven Poesie Pol de Monts. Die Mehrzahl der ausgewählten Texte zeichnet sich durch sprachliche Einfachheit aus, die den Herausgeber an „Kinderlaut und Naturton“ gemahnt, was nicht einzig dem Klang geschuldet ist. Hymnus und Pathos dieser Kriegsgesänge stoßen dem Leser nachgeborener Generation sauer auf und wirken eingedenk der zwei großen, durch Nationalismus befeuerten Kriege seltsam schal und unzeitgemäß. Aus den Strophen spricht zu uns gestriger Geist, den wir hoffen wollen, in Europa überwunden zu haben. Die Dilletantismen eines August Oscar Vermeiren, der holdes Kindesglück sich zum Thema wählt, oder eines Lambrecht Lambrechts, der Mutter und Oheim sprachlich hilflos ehrt, sind leider charakteristisch für die Qualität der Auswahl; nur vereinzelt können Verse bestechen wie das zaubrische, literarisch versierte Exzerpt aus Prosper van Langendoncks Der Wald, in welchem mit dem Symbolismus die Moderne anklingt. Dem Gros der Texte, selbst dem als Sonett verfaßten Dorfidyll des Niederländers Jacques Perk, unterliegt ein überraschend dunkler Grundton – vielleicht Zeugnis des geschichtlichen Bewußtseins ob ihrer Sujets. Die Übertragungen ins Deutsche, vorgenommen durch den Herausgeber sowie Hjerm Holling, sind angemessen und erreichen das selbstgesteckte Ziel, dem aufmerksamen Leser die Nähe der Sprachen vor Augen zu führen.

In dieser Erstausgabe bleibt der Herausgeber ungenannt: Wilhelm Schölermann, geboren 1865, tätig als Kunsthistoriker, Maler und Schriftsteller, war eine prägende und zutiefst ambivalente Figur des wilhelminischen Geisteslebens um die Jahrhundertwende und trat einerseits, als Übersetzer der Grashalme Walt Whitmans, der Architekturtheorie John Ruskins und der Essays Ralph Waldo Emersons, mit bedeutenden Beiträgen zur Vermittlung britischer und amerikanischer Literatur im kaiserlichen Deutschland in Erscheinung. Auf der anderen Seite nahm er rege teil am antisemitischen und rassischen Diskurs seiner Zeit und veröffentlichte u.a. in Theodor Fritschs deutsch-nationaler Zeitschrift Hammer wie auch in den Deutschbundblättern zu Fragen der Volkshygiene und zur „Judenfrage“. In seinen Schlußbemerkungen zum vorliegenden Band, im Nachwort wird eben dieser nationalistische Charakter Wilhelm Schölermanns unverkennbar, wenn er eingedenk des „stammverwandten Volkes“ der Flamen auf das hinweist, „was blutsverwandte Rassen einander geben und nehmen, was sie wechselseitig schenken und empfangen können: ein Fühlen und Denken, ein Hoffen, Leiden und Singen, einen Sprachenstamm“. 100 Jahre später sind es immer noch die Sprachen, die uns scheiden – aber das wechselseitige Annehmen in der Verschiedenheit, vielleicht zeichnet sich darin der Erfolg des europäischen Projekts aus.

142, (2) Seiten, Festeinband
dt.-/ndl.-sprachig (Ü: Wilhelm Schölermann, Hjerm Holling)
Lyrik, Literatur, Flandern, Belgien

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Demagogie

Juli 13th, 2009 — 11:15pm

Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki, Leiter des durch seine politische Linie und Lobbyarbeit ausgesprochen strittigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), spricht in einem Bericht des ARD-Magazins FAKT über Befunde einer Studie seines Instituts, derzufolge bei Verwendung des Analoginsulins Lantus das Krebsrisiko für Diabetespatienten signifikant steige.

Daß bei der Berichterstattung individuelle Vorzüge der Behandlung mit Analoga, welche zahlreiche Betroffene bezeugen, so z.B. der verringerte Spritz-Eß-Abstand traditionellen konventionellen Insulintherapien (ICT) gegenüber, die einem Nichtdiabetiker vergleichbare flexible, nahezu freie Entscheidung über Zeitpunkt, Zusammensetzung und Menge der Mahlzeiten ansteller starrer Diätpläne sowie die dem natürlichen Ausschüttungsmechanismus des körpereigenen Insulins Gesunder überragend nachempfundene Funktion selbiger Analoga sowohl in Form langwirkender Basal- als auch kurzwirksamer Bolusinsuline und damit einhergehend, gesundheitliche Disziplin vorausgesetzt, deutlich verbesserte Blutzuckerregulierung und Minderung von diabetischen Langzeitschäden, daß all dies vernachlässigt oder gar unterschlagen wird, überrascht nicht wirklich.

Daß „Pharmariesen“ wie dem Hersteller Sanofi Aventis gegenüber polemisiert und deren Motive und Studien im Grundsatz diskreditiert werden, eine Strategie, die auf einem diffusen Gefühl des Mißtrauens in der Bevölkerung Konzerninteressen gegenüber fußt und dieses nicht einzig kanalisiert, sondern bewußt manipuliert und sich zu Nutze macht, umso weniger.

Aber welche wissenschaftliche Qualifikation soll einem Mann wie Herrn Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki zugesprochen werden, wenn er, wie im FAKT-Interview, einen Gegensatz konstruiert von „natürliche[m] Humaninsulin“ und dem „Kunst-Insulin Lantus“ – wohlwissend, daß diese Sprachregelung Ängste schürt, obschon alle beide, Analoga wie auch Humaninsuline, gentechnisch hergestellte künstliche Insulinpräparate sind?

Die PR-Arbeit seines Instituts ist erstklassig; in nur wenigen Wochen hat das IQWiG in einer Vielzahl Sendungen und Publikationen (z.B. im üblicherweise sauber recherchierten 3sat-Wissenschaftsmagazin nano, im stets sensationslüsternen Spiegel (Spon-Artikel) und auch in den Tagesthemen) Berichte über seine Studie plaziert. Wieso findet der Ausgangspunkt der Debatte, das Bestreben des Gemeinsamen Bundesausschusses unter Federführung des IQWiG, Insulinanaloga aus Kostengründen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu streichen, keine Erwähnung?

Die Haltung der öffentlich-rechtlichen Sender, als Multiplikator für eine gezielte Kampagne gegen den Einsatz von Analoginsulinen zu fungieren und in ihren einseitigen Folgerungen Studien strittigen Designs eines gesundheitspolitisch lobbyistisch verankerten Instituts eine Plattform zu geben, ist, milde gesagt, kritisch, im eigentlichen Sinne unverantwortlich. Der nachgeschobene Hinweis an Patienten, die mit Analoga behandelt werden, nicht aus Angst das Präparat eigenständig abzusetzen (oder zumindest erst nach Absprache mit ihrem behandelnden Arzt), ist dann nur noch höchst verlogen. Schämt Euch, Ihr Heuchler!

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Überwindung der Gegebenheit in der Toleranz

Juli 8th, 2009 — 4:24pm

Es ist lehrreich für jeden Menschen, zu bemerken, wie sehr der Standort des Menschen in der Welt, seine Urtheile, nicht nur über die Dinge außer ihm, sondern auch über seine eigne Handlungen, und über die Moralität derselben abändert. […]

Jede Lage in der Welt giebt dem Menschen gewisse Gesichtspuncte, welche richtig sind, und eine Seite des Gegenstandes wirklich darstellen. Die Vernachlässigung der übrigen Gesichtspuncte, die ausschließende Anhänglichkeit an die, von unserm Standorte aus gemachten, Entdeckungen, und die Einbildung, daß es auch die vollständigen und die einzigen sind, welche sich machen lassen, bringt die Einseitigkeit und den Irrthum in unsre Urtheile. Um der Wahrheit näher zu kommen, müssen wir die Gesichtspuncte mehrerer, und wo möglich in ihren Umständen sehr ungleicher Menschen, und deren Meinungen gegen einander halten und vereinigen.

(VII, 13: Wie beurtheilt der Regent und wie der Privatmann die Gerechtigkeit der politischen Unternehmungen?, S. 216-217)

ex:
Christian Garve: Fragmente zur Schilderung des Geistes, des Charakters, und der Regierung Friederichs des zweyten
Zweyter Theil
Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1798

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Deutschland, gedenke Deiner Toten II

Juli 7th, 2009 — 1:20am
Gefallen im Dienst am Land im ISAF-Einsatz, Afghanistan
International Security Assistance Force (ISAF)

23.06.2009: Kunduz
Martin Brunn (23), Hauptgefreiter, Panzergrenadierbataillon 391 (Bad Salzungen)
Oleg Meiling (21), Hauptgefreiter, Panzergrenadierbataillon 391 (Bad Salzungen)
Alexander Schleiernick (23), Hauptgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

29.04.2009: bei Kunduz
Sergej Motz (21), Hauptgefreiter, Jägerbataillon 292 (Donaueschingen)

20.10.2008: bei Kunduz
Patrick Behlke (25), Stabsunteroffizier, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)
Roman Schmidt (22), Stabsgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

27.08.2008: Chahar Dara bei Kunduz
Michael „Mischa“ Meier (29), Hauptfeldwebel, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

06.08.2008: südlich von Kunduz
Patric Sauer (24), Stabsgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

15.08.2007: bei Kabul, Richtung Dschalalabad
Mario Keller (39), Polizeiobermeister, GSG 9 der Bundespolizei (Sankt Augustin)
Jörg Ringel (31), Kriminaloberkommissar, Bundeskriminalamt (Wiesbaden)
Alexander Stoffels (39), Polizeiobermeister, GSG 9 der Bundespolizei (Sankt Augustin)

19.05.2007: Kunduz
Michael Diebel (28), Hauptfeldwebel d. R., Bundeswehrdienstleistungszentrum / Materialdepot (Darmstadt)
Michael Neumann (48), Oberfeldwebel d. R., Marinearsenal (Kiel)
Matthias Standfuß (31), Hauptmann d. R., Bundesamt für Wehrverwaltung (Bonn)

14.11.2005: Kabul
Armin Franz (44), Oberstleutnant d. R., Feldersatzbataillon 901 (Köln)

25.06.2005: Rustak
Andreas Heine (37), Hauptfeldwebel, PRT Kunduz (Bad Oeynhausen / Ehra-Lessien)
Christian Schlotterhose (26), Oberfeldwebel , Panzergrenadierbataillon 332 (Wesendorf)

07.06.2003: Kabul
Jörg Baasch (25), Stabsunteroffizier, Fernmeldeaufklärungsregiment 940 (Daun)
Andreas Beljo (28), Oberfähnrich, Fernmeldeaufklärungsregiment 940 (Daun)
Helmi Jimeniz-Paradis (29), Feldwebel, Fernmeldeaufklärungsregiment 320 (Frankenberg)
Carsten Kühlmorgen (32), Oberfeldwebel, Fernmeldeaufklärungsregiment 320 (Frankenberg)

29.05.2003: bei Kabul, nahe Khairabad
Stefan Kamins (24), Stabsgefreiter, Amt für militärisches Geowesen / Geoinformationswesen (Euskirchen)

Komak aw Hamkari: Help and Cooperation
Es sind jene 22 Soldaten aufgelistet, die in ihrem Einsatz durch feindliche Kräfte getötet wurden.
(Stand: 12.01.2010)

Eine (wenn auch unvollständige) Übersicht über alle Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben verloren, sowie Verwundete und die Angriffe auf die Bundeswehr findet sich hier auf Deutsch und auf Englisch.

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