Tag: Politik


Revolutionäre Killer

April 30th, 2014 — 11:33pm

Che Guevara ist nicht erst durch zahlreiche künstlerische Anverwandlungen des Guerrillero Heroico Alberto Kordas zu popkulturellem Gemeingut geworden; in keiner studentischen WG der vergangenen Jahrzehnte zierte nicht wenigstens eine Wand das Konterfei des „heldenhaften Freischärlers“, des argentinisch-kubanischen Revoluzzers, des marxistischen Aufrührers und Verführers mit messianischem Anspruch (und Märtyrerkomplex); man mochte ihn nicht missen, wenn Teilnehmer antikapitalistischer Demonstrationen skandierten, linksideologische Bewegungen theoretisierten (nostalgisierten), antikolonialistische Freiheitsbestrebungen sich Helden erkoren – in popmusikalischer Hommage und populärer Verklärung avancierte ein Schlächter zum marketinggerechten Objekt jugendlicher Schwärmerei. Es entbehrt nicht der Ironie, wenn nun eine Zigarettenmarke diese Ikone des Widerstands sich zum Idol wählt, ihr todbringendes Tabakprodukt an den Mann zu bringen:

q_che_revol

Die „Revolution fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“. Ein ehrlicheres Zeugnis Ches und seines Vermächtnisses seit seinem gewaltsamen Leben und Ende anno 1967 hat es lange nicht gegeben.

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Geschichtsvergessenheit & cool names, rich in history

August 14th, 2013 — 12:44pm

In his State of the Nation address in Parliament this year, [the Namibian] President Hifikepunye Pohamba said in response to questions from Ignatius Shixwameni and Usutuaije Maamberua about colonial names: „Who is Lüderitz in the first place? And we have a region called Caprivi. Something should be done and has to be done.“

Source: Jan Poolman: Namibia: Caprivi Renaming Raises Hackles (30.07.2012)
Comment by the Allgemeine Zeitung: Erwin Leuschner: Lachnummer im Ausland (14.08.2013)

Lüderitz: [Images 1] [Images 2]

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Nach dem Einsatz

August 11th, 2013 — 5:06am

Vor dem Geländer der Haltestelle, ein wenig abseits von den übrigen Fahrgästen, ein junger Mann, Anfang zwanzig, breitschultrig, ein wenig gedrungen, mit müdem Blick. Ich folge den Gleisen, lasse den Einkaufsbeutel rechter Hand schlenkern, die Trageriemen überkreuz über den Handrücken geführt, Fix- und Wiegepunkt. Frischer Blattsalat, der im Rhythmus der Schritte auf und ab wippt, Brot und Schinken, Feinkost für den sonntäglichen Brunch; ich trete auf die Halteinsel und gehe voran bis zur Stahlstrebe mit der elektronische Anzeigetafel, darauf aufgeführt: die nächsten beiden Fahrten, die M4 heimwärts, noch vier Minuten Zeit.

Die M5 Richtung Zingster Straße gleitet aus dem Halteport, taucht nach links ein unter den S-Bahnbogen, schwindet aus dem Sichtfeld. Mein Blick streift nach rechts, en passant, ich mustere ihn flüchtig. Trittfeste Stiefel, festgeschnürt, eine Hose in 3-Farb-Tarndruck, sandfarben, Wüstentarn, ein beiges T-Shirt als Teil des Feldanzugs, auf dem Rücken ein wuchtiger, camouflierter Armeerucksack, Flecktarn, schwer. An dieser Station kommen die Straßenbahnen erst am vorderen Ende der Bucht zum Stillstand, beim Wartehäuschen, ein schmuckloser Glasunterstand mit Sitzbank, Werbeträger, bebildert, davor eine Menschentraube. Das übliche, unbekümmerte Gewusel aus Erledigungen, Stadtbummel, Nachtschwärmern, die nach langer Tour der Schlaf ins heimische Bett treibt, ein früher Samstagnachmittag.

Die Haare sind ordentlich, kurz, schmutzigblond, Ohren und Nacken frei, eine Andeutung von Scheitel. Das Gesicht kantig, glatt rasiert, ein wenig derb; Brust und Kinn sind vorgeschoben, der Rücken durchgestreckt; die Augen niedergeschlagen. Wer am rückwärtigen Ende der Haltestelle wartet, der muß, wenn die Bahn einfährt und die Türen sich öffnen, aufschließen bis hin zum letzten Einstieg, anstehen, erneut warten. Limbus, Kunduz. Auf den Hemdsärmeln die deutschen Farben, das grüne Abzeichen vom ISAF-Einsatz in Afghanistan auf der Brust, Komak aw Hamkāri. Er tut einige unschlüssige Schritte vor und zurück, vielleicht sind die Beine ihm schwer.

Ich halte inne, besinne mich, kehre um und sage: Willkommen zurück. Wir nicken einander zu, seine Stimme klingt müde in dem hellen Einkaufssonnenschein, leise, Berlin-Mitte im Spätsommer 2013. Noch zwei Minuten ist die M4 fern, ich laufe wieder vor. Hintergrundgeplauder, links, rechts, ein einziges Sirren, Limbo; die Kleiderordnung hat sich im Gefolge der Temperaturen der letzten Wochen bis ins Zwanglose gelockert, die Menschen kreisen um sich und in sich, er bleibt für sich. Als die M4 einfährt, kommt er auf mich zu und sagt fast ins Unbestimmte: Danke. Ich sei einer der wenigen, die ihn willkommen heißen.

Ich steige ein und denke nur, auf dem Heimweg:
Sollte nicht ich, sollten nicht wir dankbar sein in diesem unserem Land?

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Gottes Wege sind unergründlich

Dezember 28th, 2012 — 9:08am

Ich las heute nacht also ein erquickliches Stück Joshua Foers über John Quijada und Ithkuil, dessen konstruierte A-priori-Sprache mit Augenmerk auf formallogisch-kognitive Aspekte, Nonredundanz und semantische Vollständigkeit, und wie dies konzeptionelle linguistische Projekt unversehens durch politische Extremisten (eines neuen, aggressiven Panslawismus) in einer ehemaligen Sowjetrepublik zum Neusprech ap­pro­p­ri­ie­rt wird.

Dei viae arcanae sunt

Dei viae arcanae sunt

Und just eine Stunde darauf stolpere ich über Laetitia B., welche ich zuletzt im Dezember meines ersten Jahrs in Berlin traf bei den Worldtronics im Haus der Kulturen der Welt, und welche nun ein Praktikum bei Foers Atlas Obscura in Brooklyn, N.Y., absolviert und mir auf all die Jahre nicht aus dem Sinn ging, aber aus den Augen kam. Welch unwahrscheinlicher Zusammenfall!

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Aporetische Monologe

November 30th, 2012 — 5:15am

Die Aporie (?p???a) beschreibt eine Ausweglosigkeit, Ratlosigkeit, eine Situation, die kein Auskommen und keine Auflösung anbietet, ein Verwirrnis und Abirren und generell, mit Heidegger gesprochen, die Holzwege, die beschritten werden müssen, um im Fortgang des Denkens ihre Unerquicklichkeit zu entbergen.

„The UN vote underscores that the world is run largely by thugs or, at best, people with limited moral vision. […]“

Ich schätze den Dialog sehr, den Austausch an Erfahrungen und Meinungen, die Herausforderung und das Infragestellen eigener und fremder Perspektiven, das mäeutische (µa?e?t???) Streitgespräch, das im besten Sinne Erkenntnis hervorbringt und im schlechtesten Falle lustvolle Volte und Replik, das Kreisen um und Versenken ins Gespräch, worin Fährten gelegt werden und falsche Spuren gelesen, wo Paralogien (pa???????) und Subtexte Kleinode freilegen und den bis dato für unerschütterlich befundenen Erfahrungsschatz subtil, sublim verrücken.

„Disgraceful! We should cut all foreign aid to countries that voted for this and ask the United Nations to remove themselves from our country within 90 days. There is no excuse for our influence to be this low in the world and is a direct reflection on the lack of ability of the president of the United States. Not only is he a traitor to this country but incompetent as well. The reputation of our country could never be lower.“

Wie aber kann in dieser Zeit der partikulären Diskurse, der algorithmisch bestimmten und fein säuberlich abgetrennten parteilichen Sphären, jener prokrastinativen Oase der Selbstbespiegelung und iterierenden Selbstbestätigung, in der jedwede Doxa (d??a) sich zum großen Narrativ auswächst und Weltdeutung und -auslegung frei von Kontrapunkt und Konterkarré, geschweige denn der Kakophonie der Begegnung, affixiert, reifiziert und darüber das Singuläre in der Vielstimmigkeit der einen Wahrheit vergessen macht, wie kann hierin noch das Andere vermittelt und ertragen werden? Alterität gerinnt zusehends zur Alienität, potentialisierte Unübersetzbarkeit.

„The UN is a useless organization. It has accomplished nothing in my lifetime. No war has been stopped. No terrorism has been stopped. No human rights have been protected. The UN is simply a collection of useless ambassadors who predominantly come from radical extremist countries. The only thing the UN is good for is causing traffic jams in NYC and blatantly violating every law and regulation in NYC as well as giving a voice to terrorists and dictators. We would be better off without the institution.“

Was aber sind kommunikative Parallelismen, Kommentare ohne Transfer und Brückenschlag anderes als Amphoren anstelle von Metaphern (µetaf??a?), als Gefäße, die gleichermaßen einfassen und ausschließen, platonischer Dialogizität ermangeln, Idiosynkrasien und Idiolekt, Monolog und Monotonus, welche der Stimme gebrechen und in sich verkehrt bleiben, gekränkt, verkrümmt, egomanisch um sich kreisen und letztendlich – unauflöslich, stumm, aporetisch?

„So it means now that Palestine terrorists are now recognised and endorsed by the useless corrupt UN.“

(All quotes taken from reader comments on this New York Times article on the recognition of Palestine as „nonmember observer state“ by the United Nations General Assembly on 29 November 2012.)

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Anti-German Bias and the New York Times

November 23rd, 2012 — 5:58am

Pulled from two articles published online by the esteemed New York Times on 22 November 2012:

„The euro was established as a common currency with too little preparation and institutional support. And, over the past year, Chancellor Angela Merkel of Germany has been destructively pushing her partners to enact laws that would prolong the recession by setting rigid deficit ceilings, denying countries the fiscal flexibility sometimes needed to revive growth.“ (Editorial: Britain’s Place in Europe)

„Whisper it quietly, but the real champion in the group turned out to be Dortmund. The German club, …“ (Global Soccer: Teams From Germany and Spain Dominate Champions League)

Both reinforce the impression, that a strong and continuing anti-German bias has been prevalent for months (years) now in the New York Timescommentary on the European financial crisis; often outspokenly such as in much of Paul Krugman’s analysis of economic and fiscal policy in the Eurozone, establishing the narrative of a German-dominated and German-rooted austerity folly (and bullying of the Southern periphery) while reeking of self-righteousness1 and myopic sensationalism, at other times highly manipulative in its portrayal of German issues or general topics wherein carefully placed characterisations2 and cheap shots tinge the account (mingling fact and fiction) and fuel anti-German stereotypes.

But let’s rather whisper it quietly, to what lows the Times has sunk…

1: Krugman’s firm and long-standing bias reveals itself already in an comment on the 1990s‘ sick man of Europe which is still available on his MIT-website: Why Germany Kant Kompete.
2: Such as the „Teutonic[s‘] guttural jeering“ (here) or the Germans‘ ex negativo characteristics (lack of passion, flexibility, „individual prowess“) as smugly devised by Roger Cohen.

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1846 / 2012

Mai 21st, 2012 — 12:07am

Ett mynt af lika valörer, eller dock det sammas sättande på en och samma myntfot, hör ock kanske till omöjligheterna. Att det emellertid skulle verka mycken beqvämlighet i handel och vandel, till och med för resande, nekas icke.

[Eine Münze gleichen Nennwerts, oder welche zumindest auf einem gemeinsamen Münzstandard fußt, ist vielleicht ebenso unmöglich. Daß dies aber eine große Vereinfachung für gemeinsamen Handel und Austausch bewirkte, nicht zuletzt für Reisende, ist nicht zu leugnen.]

(Carl Jonas Love Almqvist: Om skandinavismens utförbarhet, København 1846 (1878), S. 384)

Wenn ein Land unter der Disziplin der gemeinsamen Währung nicht leben kann oder will, so soll es jederzeit frei sein, zu seiner nationalen Währung zurückzukehren.

(Thilo Sarrazin: Europa braucht den Euro nicht, DVA: München 2012)

So stehen einander also gegenüber der von Optimismus getriebene proskandinavistische Esprit Almquists und dessen am 4. Februar 1846 in Kopenhagen gehaltener Vortrag vor der Skandinaviska Sällskapet – und das populistische und ach so quälerisch im Vortrag verschwurbelte Agitieren eines Sarrazins als agent provocateur (der Linken?) samt zugehörigem Rauschen der Blätter und hysterisch-aufgeregtem Geflatter unserer derzeitigen Klasse politischer Sachwalter.

Beides setzt den Dingen die Krone auf! O tempora! O mores!

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????? sea?t??

Mai 12th, 2012 — 9:57pm

Who comes up in your mind first when you read the following statements?

„He’s not a prankster. He’s a borderline sociopath. And he totally creeps me out.“
„With [him], something is not right. His movements are stilted, his speech is forced and artificial, and he exudes insincerity.“
„[His] chuckling callousness is suspect as is his willingness to adopt seemingly any position on any issue if it will help him gain a temporary advantage.“
„Since he has appeared on the scene I have wondered how anyone could remain so stuck in the year 1961. He seems like a time capsule of everything which was wrong with those times.“
„[H]e is a very strange guy, like a very good but not quite perfected synthetic human being. His face doesn’t match what he is saying. Weird things make him laugh.“

Be honest with yourself!

(Assorted reader comments taken from online op-eds by columnists Gail Collins and Charles M. Blow, New York Times, 12 May 2012)

Nota bene: I stand by my view that Stepford Mitt as Leader of the Free World will at least look very photogenic… On those documentary DVDs detailing the Rise of the East over the West.

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Die prononcierte (konstruierte) Ferne der Eurokratur

März 1st, 2012 — 3:09pm

Vor einigen Tagen schrieb ich halb belustigt, halb bestürzt über die nicht nur den medialen und politischen Diskurs bestimmende, sondern auch für die Berichterstattung zunehmend charakteristische Unwissenheit in europapolitischen Fragen, welche einem Gutteil der Stimmen und Beiträge darin unterliegt und zu hanebüchenen Verwechslungen auch in „Qualitätsmedien“ führt.

Um jene Unkenntnis einzubergen, bedienen sich nicht nur Politiker und Stammtisch Stereotypen und nonchalanter Gleichgültigkeit in der Zuschreibung allen Übels und aller Petitessen ans ferne Brüssel, dessen Kompetenzen bestenfalls inkompetent gescholten werden, wenn nicht verschwörungstheoretisch aufgeladen, sondern auch die Medien konstruieren in Europa das Fremde und Andere, das es abzuwehren oder zu vereinnahmen gilt, bevor es nationale Eigenständigkeit und Eigenheit überwältige, welches gleichwohl aber an Ort und Stelle stets dazu dient, europapolitisches Unbehagen und nationale Zankäpfel bequem mit Verweis auf eine aufgeblähte Straßburger Bürokratie abzuladen.

Und wie um die in jenem Blogartikel angeführte (zuweilen ostentativ) prononcierte Fremdheit der europäischen Institutionen in den deutschen Medien zu belegen, sind zeitnah in den letzten Tagen in zwei führenden Blättern Deutschlands Meinungsbeiträge erschienen, welche in dieselbe Kerbe schlagen:

So spricht Thomas E. Schmidt in seiner Kritik am europäischen Projekt von „geradezu furchterregende[n] Tätigkeitsnachweise[n]“ der „Brüssler Gesetzesmaschine“, worin nur „ein kleiner Kreis [von] Regierungschefs (manchmal treten Finanzminister, Staatssekretäre und Berater hinzu) und einer Handvoll Eurokraten“ „europapolitisch[e] Fakten schaff[e]“. Wenngleich die Utopie vom geeinten Europa nicht gleich gescheitert sei, so blieben die Differenzen innerhalb Europas erhalten oder weiteten sich gar aus wie jene zwischen Peripherie und Zentrum im Laufe der Finanzkrise, und es sei an der Zeit, auch „über das Nichtintegrierbare, die absoluten Grenzen der Angleichung“ zu sprechen.

Und obschon er diesem Negativbefund nicht sekundiert, so attestiert auch Nikolas Busse dem „Elitenprojekt“ EU, daß es, obschon in „Brüssel den Bürgern weiterhin fremd und fern“, in seinem Drang nach Erweiterung der Zuständigkeiten einen Umgangston pflege, der „etwas Paternalistisches“ habe: „Wir schmieden das Glück des europäischen Bürgers, notfalls auch gegen seinen Willen – so lautet der unausgesprochene Komment der Europapolitik.“ Die politische Kultur der Europäischen Union sei gekennzeichnet von einer „tiefsitzenden Verwaltungsmentalität“; „Geheimniskrämerei und die diplomatische Sprache, mit der die Kompromisse des [Europäischen] Rats verbrämt und verschleiert werden“ beförderten weiter die Ferne zur Lebenswirklichkeit der europäischen Bürger.

Kräftige Schützenhilfe habe diese Brüsseler Gewalt nun auch inmitten der Eurokrise von der Regierung Merkel erhalten in der Ausweitung der Kontrollrechte der EU mit Blick auf staatliche Haushalte und Finanzen, womit, als deren Spiegel, eine vielleicht unfreiwillige und unabsichtliche, jedfalls dauerhafte Selbstbeschneidung nationalstaatlicher Kompetenzen einhergehe und eine Schwächung nationaler Souveränität. Hier aber, so Busse, drohe nun der endgültige Verlust demokratischer Legitimation Europas: „[W]enn die Politik nicht mehr dafür tut, daß das Brüsseler Geschehen zugänglicher wird, dann behält sie vielleicht die Währung, verliert aber die Völker.“

Und was ist ferner, als ein Europa ohne Völker? Ein „Brüsselkuckucksheim“, eine Vision ohne Rückhalt, eine Praxis ohne Bodenhaftung, ein Projekt ohne Rückbindung an und Verwurzelung in einer gemeinsamen europäischen Identität. Jene Identität aber kann nicht das ewige Andere sein, als welches Medien, Bürger und Politiker Europa so gerne darstellen – und zum eigenen Vorteil auch machen. Unwissen behüt!

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EUropa-ratlos

Februar 24th, 2012 — 9:50pm

Wenn selbst die honorige Zeit zuweilen (und wiederholt) die Übersicht verliert über die europäischen Institutionen; wer wollte es da europäischen Milchbauern verübeln, die wütend gegen den Preisverfall ihrer Produkte und und wider den Preisdruck durch die Molkereien protestieren und für ein vom EU-Parlament mandatiertes Milchpaket – auf den Stufen des Palais de l’Europe? wer nicht sanft über die Europawahl-Panne der Stadt Köln hinwegblicken, welche 2009 Europarat und Europäisches Parlament in einen Topf warf? – Beide liegen schließlich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander im Quartier européen Straßburgs.

ECHR, nicht EU

ECHR, nicht EU

Dennoch ist dieser Fauxpas der Zeit, welcher nahezu zwei Stunden online unverändert blieb trotz frühzeitiger Richtigstellung durch mehrere Leser, bezeichnend für die Haltung von Medien und einem Großteil des europäischen Publikums vis-à-vis die für ihr alltägliches Leben so maßgeblichen europäischen Institutionen. Oftmals wird bürokratischer Wildwuchs beklagt, wider die Hydra mit ihren tausend Köpfen gezetert und gemurrt, die Demokratieferne der Technokraten in Brüssel und Straßburg mit Resignation gemustert oder mit einer Suade und Schmährede unterlegt, – und doch ein ums andere Mal, wieder und wieder, wird der Umut dem falschen Adressaten zugestellt.

Daher sei hier, der Einfachheit halber, eine Übersicht gegeben der einander korrespondierenden, oftmals darüber verwechselten Institutionen und Einrichtungen (eine eingehende Lektüre erspart dieses Schema aber nicht – man starte hier):

Europarat (CoE)

  • 47 Mitgliedsländer
  • Ministerkomitee
  • Parlamentarische Versammlung
  • Kongreß der Gemeinden und Regionen
  • Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (ECHR)

Europäische Union (EU)

  • 27 Mitgliedsländer
  • Europäische Kommission
  • Rat der Europäischen Union (Ministerrat)
  • Europäischer Rat
  • Europäisches Parlament
  • Europäischer Gerichtshof (ECJ)

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