Tag: Wirtschaft


Revolutionäre Killer

April 30th, 2014 — 11:33pm

Che Guevara ist nicht erst durch zahlreiche künstlerische Anverwandlungen des Guerrillero Heroico Alberto Kordas zu popkulturellem Gemeingut geworden; in keiner studentischen WG der vergangenen Jahrzehnte zierte nicht wenigstens eine Wand das Konterfei des „heldenhaften Freischärlers“, des argentinisch-kubanischen Revoluzzers, des marxistischen Aufrührers und Verführers mit messianischem Anspruch (und Märtyrerkomplex); man mochte ihn nicht missen, wenn Teilnehmer antikapitalistischer Demonstrationen skandierten, linksideologische Bewegungen theoretisierten (nostalgisierten), antikolonialistische Freiheitsbestrebungen sich Helden erkoren – in popmusikalischer Hommage und populärer Verklärung avancierte ein Schlächter zum marketinggerechten Objekt jugendlicher Schwärmerei. Es entbehrt nicht der Ironie, wenn nun eine Zigarettenmarke diese Ikone des Widerstands sich zum Idol wählt, ihr todbringendes Tabakprodukt an den Mann zu bringen:

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Die „Revolution fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“. Ein ehrlicheres Zeugnis Ches und seines Vermächtnisses seit seinem gewaltsamen Leben und Ende anno 1967 hat es lange nicht gegeben.

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Ein Scheffel Salz im Frühling

Januar 1st, 2014 — 2:01am

Le sel qui a perdu sa force n’est plus bon à rien qu’à estre jetté dehors, & à estre foulé aux pieds des hommes. Ce n’est pas celuy qui souffre persecution qu’on doit regarder comme foulé aux pieds par les hommes; mais celuy qui craignant la persecution, devient un sel qui a perdu sa force. Car pour estre foulé aux pieds des hommes, il faut estre au dessous d’eux: & celuy-là n’est pas au dessous d’eux, qui quoiqu’il souffre beaucoup de leur part, a pourtant le cœur toûjours attaché au ciel. […] Heureux l’homme qui a esté trouvé sans tache; qui n’a point couru aprés l’or, & qui n’a point mis son esperance en son argent & en ses tresors. Qui est celuy-là, & nous le louerons: parce qu’il a fait des œuvres merveilleuses pendant sa vie.

q_breviaire_duprintempsErgo ad níhilum valet sal infatuátum, nisi ut mittátur foràs, & calcétur ab homínibus. Non ítaque calcátur ab homínibus, qui pátitur persecutiónem; sed qui persecutiónem timéndo infatuátur. Calcári enim non potest; nisi inférior: sed inférior non est, qui quamvis córpore multa in terra sustíneat, corde tamen fixus in cælo est. […] Beátus vir, qui invéntus est sine mácula: & qui post aurum non ábiit, nec sperávit in pécuniæ thesauris. Quis est hic, & laudábimus eum? fecit enim mirabília in vita sua.

Das Salz, welches seine Kraft verloren, ist zu nichts mehr gut, als fortgeworfen zu werden & mit den Füßen getreten. Nicht jener [aber], der Verfolgung erfährt, liegt vor den Menschen zu Füßen; als vielmehr jener, der aus Furcht vor Verfolgung zum Salz geworden und ohne Kraft. Denn es kann nicht geschunden werden zu Boden, der nicht vor die Menschen in Staub sich wälzt, & jener erste hat sich ihnen nicht unterworfen, wenn er auch viel Leid an ihnen erlitt, hat er doch sein Herz festgemacht am Himmel. […] Glücklich [nun] der Mann, der ohne Tadel ist; der nie nach dem Gold sich verzehrt & all sein [Zutrauen und] Hoffen auf Geld & Besitztümer gesetzt. Wer nun ist dieser, & ihn wollen wir lobpreisen: denn viel Wunderbares tat er [an der Welt].

ex:
Le Breviaire Romain, en Latin et en François.
Divisé en quatre parties. Partie du printemps.
A Paris, Chez Denis Thierry, Ruë S. Jacques, devant la ruë du Plâtre, à l’Enseigne de la Ville de Paris. 1688, p. cxviij f., cxx.

[Deutsche Übersetzung beigefügt vom Verfasser.]

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Allumés: Des hôtels de luxe allemands

September 13th, 2013 — 4:20am
1-4: Nächtigen, absteigen

1-4: Nächtigen, absteigen

1: Sheraton Frankfurt
Hotel & Towers Conference Center
Schrift u. Logo: schwarz auf weiß
Holzstifte m. weißem Zündkopf
2: Alsterkrug Hotel, Hamburg
Direkt vom Flug zum Alsterkrug
Schrift u. Logo: marineblau auf weiß
Holzstifte m. dunkelblauem Zündkopf
3: Steigenberger
Hotels and Resorts
Schrift u. Logo: weiß auf silber
Holzstifte m. weißem Zündkopf
4: altes Hilton International-Logo
The Hilton – The Hotel
Schrift u. Logo: weiß auf schwarz
Holzstifte m. kobaltblauem Zündkopf

2: Schachtel weist mit „2000 Hamburg 60“ vierstellige PLZ auf, wurde also vor 1993 herausgegeben.

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Im Fokus

März 31st, 2013 — 11:47pm

Elsaß-Lothringen, im Süden begrenzt von Vogesen und Jura, durch derer beider Massiv die Burgundische Pforte reicht und Schwarzwald und Rheinniederung miteinander verbindet – darin durch frühe Ingenieurleistung der Rhein-Rhône-Kanal das Tor durchschneidet –, eingefaßt von Mosel, Saar, Maas und dem Rhein als Scheidefurt im Osten, Saarbrücken, Luxemburg, Belgien nordwärts der oberrheinischen Tiefebene, Baden im Osten, Freiburg, Basel an der südöstlichen Flanke, Belfort, Nancy, Metz und dem Moselbecken als offener Handreichung nach Frankreich hin;

Elsaß-Lothringen, gelegen zwischen zwei großen mitteleuropäischen Mächten in Streit und Verbundenheit, Ausgangspunkt der Verheerung, die im Grauen Verduns gipfelte und noch immer diesen Namen führt, und Keimzelle der deutsch-französischen Aussöhnung und europäischen Einigung, wo die romanischen Langues d’oïl und das Französische sich den alemannischen, moselfränkischen und pfälzischen Mundarten anschmiegten und das Elsässerdeutsch gebaren, Bodenschätze und mildes Klimat in ihrer Mitte ein reiches Volk versammelten, zu Ackerbau, Raubrittertum, humanistischer Tradition;

mit Straßburg, der antiken Silberburg, Wiege des mittelalterlich-neuzeitlichen Warenaustausches, Handels- und Regierungszentrum bis in die jüngste Vergangenheit, als Inbegriff der wechselvollen Geschichte und Zugehörigkeit, wo deutsche Gemütlichkeit in Neudorf Ouest und Gründerbauarchitektur auf französische Pâtisseriekunst und Savoir-vivre treffen und eigentümlich miteinander verschmelzen, wo protestantischer Furor und katholisches Münster sich die Hand reichten, mit verschmitztem Lächeln die Reformer, die ihre Münze zählten in St. Thomas, jenem Amalgam aus spätromanischem Tor, Turm, gotischem Querhaus;

jenem Straßburg, Schnittpunkt von Politik, Wirtschaft, Kirche, Recht und Herrschaft, heimlicher subalterner Hauptstadt Europas mit Sitz des Parlaments und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, zahlreicher Hochschulen und Forschungseinrichtungen, der Straßburger Universität und des elsässischen Studentenhilfswerks im Gallia, ehemaligen Germania, mit der Haltestelle Brant Université für den 6er Bus, face à dem Wilhelminischen Hauptgebäude und dem Quartier allemand gegenüber und seiner in Stein gesetzten deutschen Großmannssucht, mit dem Elsässer Flammkuchen und bretonischen Crêpes salées;

diesem modernen und mittelgroßen Straßburg mit seinem wandelbaren und konservativen Geist, mit seiner gleichsam einer futuristischen Vision der 1960er entsprungenen Tramway der Compagnie des transports strasbourgeois (CTS) und deren verspielten, hell-akkordierten Durchsagen, dieser Stadt der halbhundert Muttersprachler und zweier Plattenläden an den entgegengesetzten Enden der Grand Rue, mit dem Netto dazwischen und dem Monoprix am Place Kléber und dem Hypermarché Leclerc im Rivetoile, der Esplanade, Vaubans Großer Schleuse, den lieblosen Halles; – dies alles, Straßburg und das Elsaß, wird in einem anderen, historischen Licht beschienen im Werk Gustav Schmollers,

des großen Nationalökonomen und Kathedersozialisten, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte interdisziplinär miteinander verknüpfte und historisch-psychologische und empirische Methoden in eins zusammenspann, im Methodenstreit gegen die Österreichische Schule und ihre Deduktion und Theorie vom Grenznutzen focht – und angesichts der heutigen fast vollständigen Metrisierung des Fachs wohl unterlag, jenes Mannes, der nach der Niederlage Frankreichs im Deutsch-Französischen Krieg und der Abtretung des Elsasses im Frieden von Frankfurt 1874 Rektor der Kaiser-Wilhelm-Universität wurde.

Text:
Gustav Schmollers Strassburgs Blüte und die volkswirthschaftliche Revolution im XIII. Jahrhundert (Abschrift: 216 kB) (PDF-Dokument)

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Allumés: Deutsche Werften

Januar 15th, 2013 — 2:22am
1-2: Zur See fahr'n wir!

1-2: Zur See fahr’n wir!

1: Howaldtswerke – Deutsche Werft AG (HDW)
Hamburg und Kiel
Für die Seetouristik…
Abb.: Kreuzschiff
Logo u. Schrift: schwarz auf lichtblau
Rückseite: HDW Unternehmensinformation
braune Holzstifte m. gelbem Zündkopf
2: Werft Nobiskrug GmbH (WN)
Rendsburg / Kiel-Canal [= Nord-Ostsee-Kanal]
Innenheft: Company profile in English
Abb.: Seabex One, Taucherbasisschiff (DSV)
Schrift u. Abb.: türkis auf weiß
Rückseite: Fahnenmast mit WN-Logo
rote Holzstifte m. gelbem Zündkopf

1: „ein Unternehmen der Salzgittergruppe“, also nach 1972-1985
2: herausgegeben nach 1981: Bau der Seabex One

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Allumée: Glanz und Elend des Rheinlands

Januar 13th, 2013 — 3:29am
1-3: La Rhénanie ancienne

1-3: La Rhénanie ancienne

1: Juwelier Hugo Pieper
Inhaber: Hans Menze, Goldschmiedemeister
433 Mülheim / Ruhr
Logo und Schrift: gold auf grün
schwarze Holzstifte m. gelbem Zündkopf
2: Saga Nerz, aus Skandinavien
Vertrieb: Pelzmoden Krampe
Meisterliche Handarbeit
4000 Düsseldorf 1
Abb.: Frau in weiß auf umbra
Rückseite: Werbeschrift zu Saga-Nerzen
schwarzbraune Holzstifte m. gelbem Zündkopf
3: Pelzmoden Slupinski
4 Düsseldorf-Altstadt,
gegenüber dem Rathaus
Schrift: gold auf braun
schwarzbraune Holzstifte m. gelbem Zündkopf

1: anläßlich des 75-jährigen Bestehens herausgegeben, ca. 1973
2: mit Stempel im Innenheft versehen: neue Anschrift der ‚Krampe Pelz-Avantgarde‘ im Kö-Center
3: Nach über 90-jährigem Bestehen schloß das Pelzmodehaus Slupinski Ende August 2012.

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Anti-German Bias and the New York Times

November 23rd, 2012 — 5:58am

Pulled from two articles published online by the esteemed New York Times on 22 November 2012:

„The euro was established as a common currency with too little preparation and institutional support. And, over the past year, Chancellor Angela Merkel of Germany has been destructively pushing her partners to enact laws that would prolong the recession by setting rigid deficit ceilings, denying countries the fiscal flexibility sometimes needed to revive growth.“ (Editorial: Britain’s Place in Europe)

„Whisper it quietly, but the real champion in the group turned out to be Dortmund. The German club, …“ (Global Soccer: Teams From Germany and Spain Dominate Champions League)

Both reinforce the impression, that a strong and continuing anti-German bias has been prevalent for months (years) now in the New York Timescommentary on the European financial crisis; often outspokenly such as in much of Paul Krugman’s analysis of economic and fiscal policy in the Eurozone, establishing the narrative of a German-dominated and German-rooted austerity folly (and bullying of the Southern periphery) while reeking of self-righteousness1 and myopic sensationalism, at other times highly manipulative in its portrayal of German issues or general topics wherein carefully placed characterisations2 and cheap shots tinge the account (mingling fact and fiction) and fuel anti-German stereotypes.

But let’s rather whisper it quietly, to what lows the Times has sunk…

1: Krugman’s firm and long-standing bias reveals itself already in an comment on the 1990s‘ sick man of Europe which is still available on his MIT-website: Why Germany Kant Kompete.
2: Such as the „Teutonic[s‘] guttural jeering“ (here) or the Germans‘ ex negativo characteristics (lack of passion, flexibility, „individual prowess“) as smugly devised by Roger Cohen.

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1846 / 2012

Mai 21st, 2012 — 12:07am

Ett mynt af lika valörer, eller dock det sammas sättande på en och samma myntfot, hör ock kanske till omöjligheterna. Att det emellertid skulle verka mycken beqvämlighet i handel och vandel, till och med för resande, nekas icke.

[Eine Münze gleichen Nennwerts, oder welche zumindest auf einem gemeinsamen Münzstandard fußt, ist vielleicht ebenso unmöglich. Daß dies aber eine große Vereinfachung für gemeinsamen Handel und Austausch bewirkte, nicht zuletzt für Reisende, ist nicht zu leugnen.]

(Carl Jonas Love Almqvist: Om skandinavismens utförbarhet, København 1846 (1878), S. 384)

Wenn ein Land unter der Disziplin der gemeinsamen Währung nicht leben kann oder will, so soll es jederzeit frei sein, zu seiner nationalen Währung zurückzukehren.

(Thilo Sarrazin: Europa braucht den Euro nicht, DVA: München 2012)

So stehen einander also gegenüber der von Optimismus getriebene proskandinavistische Esprit Almquists und dessen am 4. Februar 1846 in Kopenhagen gehaltener Vortrag vor der Skandinaviska Sällskapet – und das populistische und ach so quälerisch im Vortrag verschwurbelte Agitieren eines Sarrazins als agent provocateur (der Linken?) samt zugehörigem Rauschen der Blätter und hysterisch-aufgeregtem Geflatter unserer derzeitigen Klasse politischer Sachwalter.

Beides setzt den Dingen die Krone auf! O tempora! O mores!

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ta???e?

Mai 11th, 2012 — 5:49pm

Wahnwitziges Zeitalter der Beschleunigung – as proven by an item I fetched just from today’s news:

„Investing is a binary activity, and its practitioners are speed junkies. A New Jersey company, Hibernia Atlantic, is spending $300 million to run a new cable across the Atlantic Ocean so that information can travel 5.2 milliseconds faster between New York and London.“

(Joe Weisenthal vs. the 24-Hour News Cycle, New York Times, 10 May 2012, p. 3)

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Die prononcierte (konstruierte) Ferne der Eurokratur

März 1st, 2012 — 3:09pm

Vor einigen Tagen schrieb ich halb belustigt, halb bestürzt über die nicht nur den medialen und politischen Diskurs bestimmende, sondern auch für die Berichterstattung zunehmend charakteristische Unwissenheit in europapolitischen Fragen, welche einem Gutteil der Stimmen und Beiträge darin unterliegt und zu hanebüchenen Verwechslungen auch in „Qualitätsmedien“ führt.

Um jene Unkenntnis einzubergen, bedienen sich nicht nur Politiker und Stammtisch Stereotypen und nonchalanter Gleichgültigkeit in der Zuschreibung allen Übels und aller Petitessen ans ferne Brüssel, dessen Kompetenzen bestenfalls inkompetent gescholten werden, wenn nicht verschwörungstheoretisch aufgeladen, sondern auch die Medien konstruieren in Europa das Fremde und Andere, das es abzuwehren oder zu vereinnahmen gilt, bevor es nationale Eigenständigkeit und Eigenheit überwältige, welches gleichwohl aber an Ort und Stelle stets dazu dient, europapolitisches Unbehagen und nationale Zankäpfel bequem mit Verweis auf eine aufgeblähte Straßburger Bürokratie abzuladen.

Und wie um die in jenem Blogartikel angeführte (zuweilen ostentativ) prononcierte Fremdheit der europäischen Institutionen in den deutschen Medien zu belegen, sind zeitnah in den letzten Tagen in zwei führenden Blättern Deutschlands Meinungsbeiträge erschienen, welche in dieselbe Kerbe schlagen:

So spricht Thomas E. Schmidt in seiner Kritik am europäischen Projekt von „geradezu furchterregende[n] Tätigkeitsnachweise[n]“ der „Brüssler Gesetzesmaschine“, worin nur „ein kleiner Kreis [von] Regierungschefs (manchmal treten Finanzminister, Staatssekretäre und Berater hinzu) und einer Handvoll Eurokraten“ „europapolitisch[e] Fakten schaff[e]“. Wenngleich die Utopie vom geeinten Europa nicht gleich gescheitert sei, so blieben die Differenzen innerhalb Europas erhalten oder weiteten sich gar aus wie jene zwischen Peripherie und Zentrum im Laufe der Finanzkrise, und es sei an der Zeit, auch „über das Nichtintegrierbare, die absoluten Grenzen der Angleichung“ zu sprechen.

Und obschon er diesem Negativbefund nicht sekundiert, so attestiert auch Nikolas Busse dem „Elitenprojekt“ EU, daß es, obschon in „Brüssel den Bürgern weiterhin fremd und fern“, in seinem Drang nach Erweiterung der Zuständigkeiten einen Umgangston pflege, der „etwas Paternalistisches“ habe: „Wir schmieden das Glück des europäischen Bürgers, notfalls auch gegen seinen Willen – so lautet der unausgesprochene Komment der Europapolitik.“ Die politische Kultur der Europäischen Union sei gekennzeichnet von einer „tiefsitzenden Verwaltungsmentalität“; „Geheimniskrämerei und die diplomatische Sprache, mit der die Kompromisse des [Europäischen] Rats verbrämt und verschleiert werden“ beförderten weiter die Ferne zur Lebenswirklichkeit der europäischen Bürger.

Kräftige Schützenhilfe habe diese Brüsseler Gewalt nun auch inmitten der Eurokrise von der Regierung Merkel erhalten in der Ausweitung der Kontrollrechte der EU mit Blick auf staatliche Haushalte und Finanzen, womit, als deren Spiegel, eine vielleicht unfreiwillige und unabsichtliche, jedfalls dauerhafte Selbstbeschneidung nationalstaatlicher Kompetenzen einhergehe und eine Schwächung nationaler Souveränität. Hier aber, so Busse, drohe nun der endgültige Verlust demokratischer Legitimation Europas: „[W]enn die Politik nicht mehr dafür tut, daß das Brüsseler Geschehen zugänglicher wird, dann behält sie vielleicht die Währung, verliert aber die Völker.“

Und was ist ferner, als ein Europa ohne Völker? Ein „Brüsselkuckucksheim“, eine Vision ohne Rückhalt, eine Praxis ohne Bodenhaftung, ein Projekt ohne Rückbindung an und Verwurzelung in einer gemeinsamen europäischen Identität. Jene Identität aber kann nicht das ewige Andere sein, als welches Medien, Bürger und Politiker Europa so gerne darstellen – und zum eigenen Vorteil auch machen. Unwissen behüt!

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