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Brian Fishman: Dysfunction and Decline: Lessons Learned from inside Al-Qa’ida in Iraq
Harmony Project / The Combating Terrorism Center at U.S. Military Academy at West Point, West Point (New York) 2009

beg, bee: 26.03.2009, 26.03.2009

Eindrucksvoll und pointiert analysiert Brian Fishman in diesem Aufsatz die Gründe für die schwindende Rolle und Bedeutung des 2004 von Abu Musab al-Sarkawi ins Leben gerufenen Al Kaida-Ablegers im Irak (AQI) und leitet hieraus Empfehlungen ab für den Kampf der westlichen Alliierten andernorts gegen das dschihadistische Netzwerks Osama bin Ladens (samt und sonders natürlich für die US-Streitkräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom in Afghanistan (OEF-A)). Bemerkenswert ist die Klarheit und Nüchternheit der Analyse, welche unvernebelt von politischer Agitation ebenjene Merkmale identifiziert, die AQI zunächst breite Unterstützung durch sunnitische Aufständische im Irak sicherten und dann, nach drei Jahren blutiger Abnutzungsschlacht auch zunehmend unter den Waffenbrüdern selbst, um den Sieg brachten. Nicht die militärische Überlegenheit der amerikanischen Truppen führte zum Erfolg, obschon die von General David H. Petraeus eingeleitete Strategieänderung fraglos eine Verbesserung der Sicherheitslage zwischen Euphrat und Tigris bewirkte, die irakischen Sunniten selbst (und nicht zuletzt ihre radikalen Elemente) haben AQI eine empfindliche Niederlage beigebracht:

„U.S. troops did exactly what they should do in such circumstances; they facilitated AQI’s decline by killing and capturing key leadership, disrupting communications and logistics processes, and giving the local tribes a legitimate path to political participation. But it was the rejection of AQI by local Sunnis that discredited and degraded the organization. Their concerns were both profound and banal: ranging from anger over AQI’s ideological extremism to frustration that AQI monopolized local smuggling networks.“ (S. 30)

Hinzu traten eine Vielzahl strategischer, personeller und logistischer Mängel in der Aufstellung und Ausrichtung der AQI wie beispielweise ihre ideologisch motivierte, die irakische Unterstützerbasis zunehmend entfremdende Bereitschaft zu extremer Gewalt auch und besonders gegen Muslime sowie ein grundsätzliches Unverständnis mit Blick auf die Stammesgesellschaft und kulturellen Gepflogenheiten Iraks. Al Kaida hat seine Schlüsse aus dem Versagen AQIs gezogen und seine Lektionen gelernt, wie ein von US-Truppen sichergestelltes Dokument („Lessons Learned“ (PDF)) belegt. Mit überraschender Offenheit, und fraglos in Übereinstimmung mit dem veränderten außenpolitischen Kalkül der neuen US-amerikanischen Regierung Barack Obamas, beurteilt Fishman die langfristigen Konsequenzen des Irakfeldzugs für den „War on Terror“:

„Despite these important setbacks for al-Qa’ida, the U.S. presence in Iraq – and al-Qa’ida’s confrontation with U.S. forces there – has greatly benefited the jihadist movement. AQI’s campaign enabled al-Qa’ida writ large to maintain media presence, distract U.S. attention from Afghanistan, gain tremendous tactical expertise, and participate in a very popular fight. Furthermore, the central organization based in Pakistan invested very little to initiate its relationship with Abu Mus’ab al-Zarqawi and the jihadists that became AQI – offering little more than their reputation and brand name.“ (S. 28)

Dies (implizite) Verdikt bezüglich der Irakpolitik der Vorgängerregierung Bush ist nicht so sehr inhaltlich eine Überraschung, es stimmt in vielen Kernpunkten mit der Kritik überein, die vor Beginn des Irakkriegs von Gegnern desselben angeführt wurde, es fügt sich aber in seiner differenzierten Analyse nahtlos ein in die militärisch-politischen Abwägungen, mittels derer Fishman wertvolle Lehren aus dem Nahezu-Debakel des (meiner Ansicht nach) völkerrechtlich nicht legitimierten Krieges zieht. So empfiehlt er beispielsweise, die (begrenzte) Kooperation mit Aufständischen zu prüfen, wo sich gemeinsame Interessen finden, die gegen Al Kaida gerichtet sind, wie auch die lokalen Gegebenheiten in Afghanistan intensiv zu studieren und sich gegebenenfalls zunutze zu machen.

Wie der Autor zurecht schreibt, ist die Lage im Irak auch nach den relativ ruhigen Provinzwahlen im Januar nicht rosig, die eingetretene Stabilisierung darf nicht mit Stabilität des politischen Systems, gar einem demokratischen, dauerhaft friedvollen Zweistromland verwechselt werden. Al Kaida und seine Verbündeten werden auch trotz der herben Niederlage AQIs sowohl im Irak als auch im Grenzgebiet Pakistans und Afghanistans aktiv bleiben und im letzteren als neuem (auch medialen) Hauptkampfplatz weiterhin schlagkräftig operieren und Terror gegen Zivilbevölkerung und die geschmähten westlichen Truppen ausüben. Es besteht aber die Hoffnung, daß der Krieg gegen das islamistische Netzwerk und seine Zweigstellen erfolgreich geführt und gewonnen werden kann, wenn seine Strategie sich an ruhigen, auch selbstkritischen Analysen wie dieser CTC-Publikation orientiert und damit dem Gegner Gelegenheit gegeben wird, sich selbst und seine menschenverachtende Ideologie zu desavouieren.

36 Seiten, Aufsatz (PDF-Dokument)
engl.-sprachig
Analyse, Politik, Militär / Terrorismus, Irak

Category: Libri L | Tags: , , | estienne210 Comment »


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