Sprachpanscherei

Ökologischer Anbau und Bioprodukte haben die gesellschaftliche Mitte erreicht; Stadtviertel, deren Aufwertung und bauliche Instandsetzung einhergeht mit dem Zuzug junggebliebener bildungsbürgerlicher Patchworkfamilien in die innerstädtischen Quartiere, künden davon durch eine vernehmliche Änderung der Geschäfts- und Kleinhändlerstrukturen, sei es durch hochpreisige Café-Etablissements, in denen Medienbohémiens und Digital natives hinter ihren Macbooks und Tabletrechnern verschanzt herumlümmeln, strikt verpflichtet dem fair-gehandelten Flat white und der Misosuppe mit Tofuschmankerl, sei es durch das moderne Pendant des Naturkostfachgeschäfts, den Biosupermarkt, dessen Ausstattung farbpsychologisch versiert in Erd- und Grastönen den Modern urbanite seiner Naturverbundenheit versichert und der den sonntäglichen Wochenmarkt samt regional erzeugter, erntefrischer Lebensmittel ergänzt.

Hinzu kommt ein in höchst individuellen, dabei auch zeitgeistigen Ladengeschäften sprießendes Angebot nachhaltig produzierten Mobiliars in Vintage-Look und Retro-Chic und zertifizierte Upcycling-Designer-Fashion mit gesundheitsverträglichen Textilien (samt Coffee to-go); ganz zu schweigen vom Assortiment an Dienstleistungen, welche von ganzheitlichen Naturheilverfahren und Physio- und Aromatherapien über Fangobehandlungen, Yoga und Honigmassagen bis hin zu Naturkosmetik und Wasserkontor reichen; Wellness für den gestreßten Großstädter. Was darin verlorengeht? Die Moderne vergißt ihre sprachlichen Wurzeln und ihren emanzipatorischen Ausgangspunkt in den Volkssprachen, und panscht dabei im seichten Mittel: Gingerkekse oder Ingwercookies, der Bionade-Biedermeier scheint sich für nichts zu schade, sein kosmopolitisches Dandytum unter Beweis zu stellen, atmosfair, ganz ohne den Ruch des Easyjetsetdaseins.

Berlin is Tokyo is New York is Istanbul is … herkunfts- und besinnungs- und bindestrichlos.

Category: Billed, Miscellaneous | Tags: , , , | estienne210 Comment »


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