Tag: Medien


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August 22nd, 2009 — 6:47am

Oscar Ogg: The 26 Letters
Thomas Y. Crowell Company, New York 1961, 1948
8. Auflage 1962

beg, bee: 31.07.2009-02.08.2009 u. 18.-19.08.2009

„The reason that the letter forms of many early designers are superior to their modern counterparts is that the modern letterers have attempted to arrive at the conclusions of the early designers without first having become acquainted with the sources of their results.“ (Oscar Ogg, zitiert in: Leslie Cabarga: Logo, Font & Lettering Bible, S. 78)

Der Liebe zum Schreiben entspringt dieses Buch, nicht im Sinne des literarischen Vollzugs, sondern als Ausführung und Gestaltung der Schrift zum eigenständigen Objekt von Kunstfertigkeit und Zeugnis des Schönen; und sein Autor, Oscar Ogg (1908-1971), gilt neben Paul A. Bennett und Warren Chappell als einer der herausragenden US-amerikanischen Schriftentwerfer, Graphiker und Illustratoren Mitte des 20. Jahrhunderts. The 26 Letters erschien erstmalig 1946 in kleiner, bibliophiler Auflage in New York, im gleichen Jahr, als Ogg dort die kalligraphische Abteilung an der Columbia-Universität begründete, und nimmt den Leser mit auf eine Reise von den vorgeschichtlichen Ursprüngen der Schrift in Skulptur und Höhlenmalerei bis zu dem uns vertrauten, in einer langen Entwicklungskette ausgeformten lateinischen Alphabet mit seinen 26 Buchstaben. Kursorisch folgt Ogg in sieben von neun Kapiteln der Geschichte des Abc mit einer Übersicht der konkurrierenden Schriftsysteme der alten Ägypter (hieroglyphisch, hieratisch, demotisch) und einem faszinierenden Exkurs über die (kolonial verwickelte, kollateral durch Napoleons Feldzug bedingte) Entdeckung und Entzifferung des Steins von Rosetta, beschreibt die Herausbildung des ersten wahren, des phönizischen Alphabets mit seiner Vermengung kretisch-minoischer und ägyptischer Einflüsse mit den Cuneiform der Völker Mesopotamiens (Assyrer, Babylonier, Hethiter) und zeichnet die Überführung der Schrift vom griechisch-römischen Zeitalter bis hin zur Moderne nach. Der karolingische Beitrag um die Minuskeln, die Sonderformen der Halbunziale auf den britischen Inseln und in der frühchristlichen Literatur Irlands, die stilistische Virtuosität der Manuskripte mönchischer Skribenten des Hochmittelalters finden ebenso Erwähnung wie, eingehend und archetypisch, die formvollendete Inschrift der im Jahr 113 in Rom errichteten Trajanssäule als erstem Höhepunkt europäischer Hochschriftkultur.

Ogg illustriert sein zentrales Argument, die Gestaltung der Buchstaben des Alphabets folge aus dem Werkzeug, das der jeweiligen Kultur zum Schreiben zur Verfügung stehe, ein ums andere Mal, wenn er die Keilschrift wortwörtlich nimmt, in deren Bezeichnung selbiger Zusammenhang genuin eingefaßt ist, wenn er die gerade Strichführung (früher) altgriechischer Buchstaben ableitet aus der Verwendung von Wachstafeln, in welche Notizen mit einem Griffel eingekratzt wurden, während die Nutzung von Papyrus und (später) auch Papier und Pergament schon der klassischen Antike weichere, geschwungenere Formen erlaubte, und wenn er die Beschriftungen griechischer Reliefs und Plastiken vergleicht mit der Blüte trajanscher Kapitalien, derer erstere noch mit geradem Schlag mit dem Meißel dem Stein abgerungen sind, während letztere zunächst aufgemalt und hernach in ihren Rundungen und Wölbungen vom Steinmetz raffiniert herausgearbeitet wurden, wobei die Römer, durch ihre Meißeltechnik genötigt, die Serifen herausbildeten. „The tool governs the form again [and again]“ (S. 213), konstatiert Ogg, und so bleibt die Bedeutung von Material und Instrumentarium für die Kulturtechnik des Schreibens auch Leitmotiv der zwei abschließenden Kapitel zur Geschichte des frühen Buchdrucks, welcher rasch die Entwicklung standardisierter Schrift-Lettern bedingte. Waren die ersten Vertreter des Druckhandwerks noch orientiert an mittelalterlichen Handschriften und regionalen Varianten des lateinischen Alphabets, gewannen binnen eines Jahrhunderts die zwei Formen Vorrang, die bis heute idealtypisch unseren Schriftzeichen unterliegen: Die gebrochenen Schriften, auch Gotische genannt (Fraktur, Schwabacher, Rotunda), die, da sie aufgrund ihres starken Strichs und ihrer gedrängten Gestalt die Buchseiten eng und dicht bedruckt erscheinen ließen: in Schwarz getaucht, im Englischen als Black-Letters bezeichnet werden, und die aus der Kombination humanistischer Minuskeln mit altrömischen Versalien entwickelten Antiquaschriften, letztere bereichert und erweitert durch die Italienische (Italic, echte Kursivschrift) des Aldus Manutius, des Meisters des venezianischen Renaissancebuchdrucks. (Einzig im deutschsprachigen Raum behauptete sich die Gotische bis ins 20. Jh. und fand, als Schreibschrift, in den deutschen Kurrentschriften (z.B. Sütterlin) ihre idiosynkratische Entsprechung.)

Ogg, ein meisterlich geschulter Kalligraph, hat sein Buch mit einer Vielzahl teils kolorierter Schriftbeispiele und Abbildungen versehen, die die mühevolle Geschichte von Schriftwerdung und -erzeugung anschaulich illustrieren; und auch jüngere Leser mögen dem Gedankengang Oggs in seiner einfachen, klar strukturierten Sprache trefflich folgen, nicht zuletzt weil im Erzählton sich die Begeisterung des Autors für das Phänomen des Schreibens vermittelt. Daß er, typographisch-typophil, den Schriftsatz Old Face William Caslons für den vorliegenden Text wählt: „No type of any time, however, has ever made a more attractive and readable page than the original type of Caslon [designed about 1724], [of which] you have an example of a modern redrawing of […] his honest, handsome letters before you now as you read this book“ (S. 239), belegt, wie sehr dem Verfasser die Schreibkunst eine ars amandi war. Was sagte wohl dieser bibliophile Traditionalist zu den heutigen Schriftarten, wie sie moderne Dokumente, ergonomisches Online-Publishing prägen? So bestätigt er sich angesichts PC-gestütztem Schriftdesigns fände in seiner These: Form qua Funktion und Werkmaterial, hieße er sie vielleicht serifen-, charakter- und seelenlos? Produkte tachogener Weltfremdheit? Im nahezu unerschöpflichen Variantenreichtum rechnerbasierter Alphabete finden sich nur wenige, die dadurch bestechen, wie ausgewogen, formschön und elegant sie gestaltet sind. Und so faßt das vorangestellte Zitat, kolportiert vom Fontdesigner Leslie Cabarga, die Arbeitsethik und -technik des Oscar Ogg vielleicht am treffendsten: Nur das Nachvollziehen der Geschichte des Schreibens lehrt das Schreiben selbst.

(7), 262 Seiten, Festeinband
engl.-sprachig
Buchdruck, Typographie, Europa

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Demagogie

Juli 13th, 2009 — 11:15pm

Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki, Leiter des durch seine politische Linie und Lobbyarbeit ausgesprochen strittigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), spricht in einem Bericht des ARD-Magazins FAKT über Befunde einer Studie seines Instituts, derzufolge bei Verwendung des Analoginsulins Lantus das Krebsrisiko für Diabetespatienten signifikant steige.

Daß bei der Berichterstattung individuelle Vorzüge der Behandlung mit Analoga, welche zahlreiche Betroffene bezeugen, so z.B. der verringerte Spritz-Eß-Abstand traditionellen konventionellen Insulintherapien (ICT) gegenüber, die einem Nichtdiabetiker vergleichbare flexible, nahezu freie Entscheidung über Zeitpunkt, Zusammensetzung und Menge der Mahlzeiten ansteller starrer Diätpläne sowie die dem natürlichen Ausschüttungsmechanismus des körpereigenen Insulins Gesunder überragend nachempfundene Funktion selbiger Analoga sowohl in Form langwirkender Basal- als auch kurzwirksamer Bolusinsuline und damit einhergehend, gesundheitliche Disziplin vorausgesetzt, deutlich verbesserte Blutzuckerregulierung und Minderung von diabetischen Langzeitschäden, daß all dies vernachlässigt oder gar unterschlagen wird, überrascht nicht wirklich.

Daß „Pharmariesen“ wie dem Hersteller Sanofi Aventis gegenüber polemisiert und deren Motive und Studien im Grundsatz diskreditiert werden, eine Strategie, die auf einem diffusen Gefühl des Mißtrauens in der Bevölkerung Konzerninteressen gegenüber fußt und dieses nicht einzig kanalisiert, sondern bewußt manipuliert und sich zu Nutze macht, umso weniger.

Aber welche wissenschaftliche Qualifikation soll einem Mann wie Herrn Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki zugesprochen werden, wenn er, wie im FAKT-Interview, einen Gegensatz konstruiert von „natürliche[m] Humaninsulin“ und dem „Kunst-Insulin Lantus“ – wohlwissend, daß diese Sprachregelung Ängste schürt, obschon alle beide, Analoga wie auch Humaninsuline, gentechnisch hergestellte künstliche Insulinpräparate sind?

Die PR-Arbeit seines Instituts ist erstklassig; in nur wenigen Wochen hat das IQWiG in einer Vielzahl Sendungen und Publikationen (z.B. im üblicherweise sauber recherchierten 3sat-Wissenschaftsmagazin nano, im stets sensationslüsternen Spiegel (Spon-Artikel) und auch in den Tagesthemen) Berichte über seine Studie plaziert. Wieso findet der Ausgangspunkt der Debatte, das Bestreben des Gemeinsamen Bundesausschusses unter Federführung des IQWiG, Insulinanaloga aus Kostengründen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu streichen, keine Erwähnung?

Die Haltung der öffentlich-rechtlichen Sender, als Multiplikator für eine gezielte Kampagne gegen den Einsatz von Analoginsulinen zu fungieren und in ihren einseitigen Folgerungen Studien strittigen Designs eines gesundheitspolitisch lobbyistisch verankerten Instituts eine Plattform zu geben, ist, milde gesagt, kritisch, im eigentlichen Sinne unverantwortlich. Der nachgeschobene Hinweis an Patienten, die mit Analoga behandelt werden, nicht aus Angst das Präparat eigenständig abzusetzen (oder zumindest erst nach Absprache mit ihrem behandelnden Arzt), ist dann nur noch höchst verlogen. Schämt Euch, Ihr Heuchler!

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Deutschland, gedenke Deiner Toten II

Juli 7th, 2009 — 1:20am
Gefallen im Dienst am Land im ISAF-Einsatz, Afghanistan
International Security Assistance Force (ISAF)

23.06.2009: Kunduz
Martin Brunn (23), Hauptgefreiter, Panzergrenadierbataillon 391 (Bad Salzungen)
Oleg Meiling (21), Hauptgefreiter, Panzergrenadierbataillon 391 (Bad Salzungen)
Alexander Schleiernick (23), Hauptgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

29.04.2009: bei Kunduz
Sergej Motz (21), Hauptgefreiter, Jägerbataillon 292 (Donaueschingen)

20.10.2008: bei Kunduz
Patrick Behlke (25), Stabsunteroffizier, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)
Roman Schmidt (22), Stabsgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

27.08.2008: Chahar Dara bei Kunduz
Michael „Mischa“ Meier (29), Hauptfeldwebel, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

06.08.2008: südlich von Kunduz
Patric Sauer (24), Stabsgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

15.08.2007: bei Kabul, Richtung Dschalalabad
Mario Keller (39), Polizeiobermeister, GSG 9 der Bundespolizei (Sankt Augustin)
Jörg Ringel (31), Kriminaloberkommissar, Bundeskriminalamt (Wiesbaden)
Alexander Stoffels (39), Polizeiobermeister, GSG 9 der Bundespolizei (Sankt Augustin)

19.05.2007: Kunduz
Michael Diebel (28), Hauptfeldwebel d. R., Bundeswehrdienstleistungszentrum / Materialdepot (Darmstadt)
Michael Neumann (48), Oberfeldwebel d. R., Marinearsenal (Kiel)
Matthias Standfuß (31), Hauptmann d. R., Bundesamt für Wehrverwaltung (Bonn)

14.11.2005: Kabul
Armin Franz (44), Oberstleutnant d. R., Feldersatzbataillon 901 (Köln)

25.06.2005: Rustak
Andreas Heine (37), Hauptfeldwebel, PRT Kunduz (Bad Oeynhausen / Ehra-Lessien)
Christian Schlotterhose (26), Oberfeldwebel , Panzergrenadierbataillon 332 (Wesendorf)

07.06.2003: Kabul
Jörg Baasch (25), Stabsunteroffizier, Fernmeldeaufklärungsregiment 940 (Daun)
Andreas Beljo (28), Oberfähnrich, Fernmeldeaufklärungsregiment 940 (Daun)
Helmi Jimeniz-Paradis (29), Feldwebel, Fernmeldeaufklärungsregiment 320 (Frankenberg)
Carsten Kühlmorgen (32), Oberfeldwebel, Fernmeldeaufklärungsregiment 320 (Frankenberg)

29.05.2003: bei Kabul, nahe Khairabad
Stefan Kamins (24), Stabsgefreiter, Amt für militärisches Geowesen / Geoinformationswesen (Euskirchen)

Komak aw Hamkari: Help and Cooperation
Es sind jene 22 Soldaten aufgelistet, die in ihrem Einsatz durch feindliche Kräfte getötet wurden.
(Stand: 12.01.2010)

Eine (wenn auch unvollständige) Übersicht über alle Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben verloren, sowie Verwundete und die Angriffe auf die Bundeswehr findet sich hier auf Deutsch und auf Englisch.

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Incidental…

Juni 4th, 2009 — 1:13am
The beauty of German humour

The beauty of German humour

… accidental, a fine example of German humour, indeed.

Btw, the New York Times archive can be searched and used for free, for the most part. If only the Frankfurter Allgemeine or NZZ offered a similar service.

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mmix.xii

April 15th, 2009 — 2:28am

Don DeLillo: Cosmopolis
Picador, London 2003

beg, bee: 14.03.2009, 14.04.2009

211 Seiten, Festeinband
engl.-sprachig
Roman, Literatur, Postmoderne, Nordamerika

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mmviii.xv

Dezember 27th, 2008 — 11:02pm

Don DeLillo: Mao II
Vintage U.K., London 1992
12. Auflage 2004

beg, bee: 09.12.2008, 26.12.2008

„[T]he withheld work of art is the only eloquence left.“ (p. 67)

„Beckett is the last writer to shape the way we think and see. After him, the major work involves midair explosions and crumbling buildings. This is the new tragic narrative.“ (p. 157)

250 Seiten, Taschenbuch
engl.-sprachig
Roman, Literatur, Postmoderne, Nordamerika

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