Tag: Geschichte


Dies iræ

April 15th, 2009 — 3:44am

Aut hic errat (ait) nulla cum lege per ævum
Mundus, & incerto discurrunt sidera motu:
Aut, si fata movent, orbi, generíque paratur
Humano matura lues. terræ ne dehiscent,
Subsidentque urbes? an tollet fervidus aër
Temperiem? segetes tellus infida negabit?
Omnis an infusis miscebitur unda venenis?
Quod cladis genus, ô Superi? qua peste paratis
Sævitiam? extremi multorum tempus in unum
Convenêre dies.

(Liber I, Versus 642-651, p. 47)

ex:
Marcus Annæus Lucanus: De bello civili sive Pharsalia
cum Hug: Grotii, Farnabii notis integris & Variorum selectiß.
Accurante Corn: Schrevelio.
Officina Elzeviriana, Amstelodami [Amsterdam] 1658

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mmix.v

März 8th, 2009 — 8:15pm

Rainer Stephan: Gebrauchsanweisung für das Elsaß
Piper Verlag, München 2004
2. Auflage 2007

beg, bee: 05.03.2009, 08.03.2009

Elsaß-Lothringen, das ist ein Fokalpunkt europäischer Geschichte, deutsch-französischer Erbfeindschaft und Nachkriegsfreundschaft, das Elsaß eine Region, die die Kultur des Savoir-vivre mit deutscher Gemütlich- und Bodenständigkeit fruchtbar amalgamiert, ein „Dreyeckland“ zwischen Basel, Freiburg und Straßburg, das seine Eigenständigkeit gegenüber dem nachbarschaftlichen Übergewicht der „Schwoben“ einerseits und Pariser Zentralismus andererseits behauptet und gewahrt hat. Pfleglich gehegte Provinzialität erwies sich als Keimzelle, gelebte Interkulturalität (stets zwischen allen Stühlen) als Ausdruck wenn nicht ausgesprochen pro-, so doch paneuropäischer Gesinnung, ein Regionalismus mit unverwechselbaren Zügen charmanter Renitenz.

Rainer Stephans über weite Strecken vergnüglich abgefaßte Gebrauchsanweisung, erschienen in Pipers reizvoller Reihe literarischer Regionalportraits abseits von Reiseführern und Urlaubsplanern, eröffnet dem Leser ein humorvolles Elsaßpanorama mit kulinarischen Reflexionen über saures choucroûte royal (das in Ungarn besser schmeckt) und erklecklicher Sommelier- und Gourmetkunde (wie ein bunter Hund scheint er bekannt mit allerorten Dreisterneköchen): so firmiert der Pinot Gris im Elsässischen unter „Grauclevner“ (und wurde als Tokai d’Alsace vor dreihundert Jahren aus Ungarn importiert), mit einer Entourage seitab touristischer Routen und Urlaubsnepp und erquicklichen Einsichten in das schwierige Verhältnis des Elsässers zum Deutschen. Darin spart er nicht mit Sticheleien gegen Anrainer beiderseits des Rheins.

Matthias Grünewalds „Isenheimer Altar“, der Pfifferdaj, der alljährlich in Ribeauvillé an die Gerichtsbarkeit und Steuerhoheit der deutschen Grafen von Rappoltstein im damaligen Rappoltsweiler über Gaukler und fahrende Spielleute erinnert, der Sechseimerbrunnen, das Obertor und die Künstlerkolonie von Boersch – in Stephans Buch gibt es für den deutschen Leser viel zu entdecken über das Elsaß, wie z.B. die von Adalbert von Chamisso noch besungene Burg Niedeck oder ein zur Waldwirtschaft umfunktioniertes altes Forsthaus im Elmerforst und auch einen ostwärts (gen Deutschland: als Mahnung?) gerichteten Panzer in Kientzheim. Straßburg, die alte freie Reichsstadt, Präfektur (nebst Colmar) der Départements Haut-Rhin und Bas-Rhin (die zusammen die in der französischen politischen Terminologie ausgesparte Region Elsaß bilden), behandelt der Autor facettenreich und erschöpfend – und doch wird der Leser angehalten, weiter nachzuforschen.

Der Zusammenhang zwischen Straßburgs malerischem, von der Vaubanwehr eingefaßten Gerberviertel Petite France und der Syphilis, beispielsweise, findet sich nicht im Buch. Dazu schwingt im Autoren vielleicht zuviel Lokalpatriotismus mit. Die Sprache Stephans ist kurzweilig, die Kapitelübergänge beredt, und auch wenn ein großer Erzählbogen ausbleibt, sind die Exkursionen, Hakenschläge und Detours in diesem anregenden Kultur- und Historienreigen lehrreich und bildhaft, ohne das Gris en gris des modernen Elsaß und seiner Vorstädte in Mulhouse (Mühlhausen), Straßburg und Schlettstadt (Sélestat) – und damit Frankreichs – zu verschweigen. „[D]ie altmodische Kunst des Bücherlesens läßt einen auch heute noch persönliche Abenteuer erleben, die andere nur aus dem Kino kennen“ (S. 107), so resümiert Stephan die phantastische Begebenheit um Stanislas Gosse, dem Arsène Lupin d’Alsace, und er läßt den Leser teilhaben an filmreifer, bibliophil motivierter Kleptomanie, wie sie vielleicht nur noch im Elsaß zu finden ist.

191 Seiten, Broschur
dt.-sprachig
Reiseliteratur, Region Alsace-Lorraine, Frankreich

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mmviii.xvi

Januar 5th, 2009 — 12:58am

Georges Perec: W oder die Erinnerung an die Kindheit
Verlag Volk und Welt, Berlin 1978

beg, bee: 13.12.2008, 03.01.2009

Erstausgabe

„Ich weiß nicht, ob ich nichts zu sagen habe; ich weiß nicht, ob, was ich etwa zu sagen hätte, nicht gesagt wird, weil es unsagbar ist (das Unsagbare verbirgt sich nicht im Geschriebenen, es ist vielmehr jenes Etwas, was lange zuvor zu seinem Entstehen geführt hat); ich weiß, daß meine Aussage leer, neutral ist, sie ist ein endgültiges Zeichen einer endgültigen Vernichtung.
Das eben ist es, was ich sage, was ich schreibe, und das allein findet sich in den Worten, die ich setze, in den von diesen Worten gebildeten Zeilen, in den leeren Räumen zwischen den Zeilen…
Ich schreibe nicht, um auszusagen, daß ich nichts sagen werde, ich schreibe nicht, um darzutun, daß ich nichts zu sagen habe. Darum schreibe ich: weil wir miteinander gelebt haben, weil ich einer von ihnen war, ein Schatten inmitten ihrer Schatten, ein Körper nahe ihren Körpern; ich schreibe, weil sie mir ihre unauslöschliche Spur hinterlassen haben, die in dem von mir Geschriebenen zutage tritt: Die Erinnerung an sie läßt sich nicht schriftlich erfassen; wenn ich schreibe, so geschieht es, um ihres Todes zu gedenken und um zu bekräftigen, daß ich lebe.“ (S. 51f.)

191 Seiten, Taschenbuch
dt.-sprachig (Ü: Thorgerd Schücker)
Erzählung, Autobiographie, Frankreich

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mmviii.xiii

Dezember 11th, 2008 — 6:54pm

Anna Katterfeld: Die Stadt der Barmherzigkeit
Anker-Verlag, Bremen 1930

beg, bee: 10/2008, 04.12.2008

Anrührend schildert die Anna Katterfeld Bilder aus Vater Bodelschwinghs Leben und Lebenswerk, wie der Untertitel das Buch faßt… baltische Erzieherin…

224 Seiten, Festeinband
dt.-sprachig
Biographie, Bethel, Christentum

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mmviii.ix

Oktober 11th, 2008 — 6:12am

Ödön von Horváth: Jugend ohne Gott
Gesammelte Werke: Band 13
Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 1983
8. Auflage 1988

beg, bee: 03.10.2008, 05.10.2008

„Wie hätten wir davon wissen sollen?“, diesen Ausruf brachten viele Deutsche nach dem Ende des 2. Weltkriegs, dem Untergang des NS-Regimes in Europa vor; „davon wußten wir nichts“, beteuerte der gestrige Volksgenosse, leutselig und doppelbödig, vor sich selbst und der Anklage der Weltöffentlichkeit, im Angesicht der Verheerung im eigenen Land. (Welche selbe er zuvor und zuvörderst gen Osten getragen hatte.) Die Greuel deutscher Konzentrations- und Vernichtungslager und das Ausmaß der Verbrechen strafte jenen apologetischen Reflex zwar von Beginn an Lügen, dennoch verwahrten sich weite Teile der in zwei Staaten geteilten deutschen Gesellschaft in einer (gar nicht so verschiedenen) Kultur des Schweigens und des Unausgesprochen-Lassens vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle (und Schuld) im Dritten Reich und jener der Eltern- und Großelterngeneration. In dieser Unterlassung schrieb sich das moralisch bankrotte Deutschland noch Jahrzehnte fort; der willfährige Helfer der Diktatur geriet zum Bürger: eines Wirtschaftswunderlands dank alliierter Wiederaufbauhilfe und Westintegration oder aber, in unverbrüchlicher Blocktreue, eines Arbeiter- und Bauernstaats und dessen kommunistischer Legitimationspraxis; und wiegelte ab, fuhr fort zu leugnen, Anteil an den Verbrechen gehabt zu haben, die da der Welt offenbar wurden. Wie kann dann das sein, daß schon 1937 der Roman Ödon von Horváths, Jugend ohne Gott, im Exil verfaßt und bei Allert de Lange in Amsterdam publiziert, so eindringlich wußte um die mörderische Unmenschlichkeit eines faschistischen Regimes? Die kommenden Grauen pointiert vorwegnahm? Daran verzweifelte und doch dagegen anging?

„Alle Neger sind hinterlistig, feig und faul“, hebt er an mit der Rassenpolitik des Dritten Reichs, wenn der Erzähler, Lehrer an einem Städtischen Gymnasium, sich konfrontiert sieht mit den geistigen Grundlagen des Nationalsozialismus und – damit arrangiert, „denn was einer im Radio redet, darf kein Lehrer im Schulheft streichen“, um kurz darauf, unversehens, mit einem Satz sich in Gegnerschaft hierzu zu finden, angefeindet wird von der ihm anvertrauten Jugend. Horváths Prosa ist schnörkellos und knapp und zeichnet die Mechanismen des totalitären Staates: Denunziation, Ausgrenzung, Militarisierung, unverstellt nach und enthüllt sie im Kleinen, im Wankelmut, in der Bequemlichkeit; in der Anpassung an die Gegebenheiten. „Wer mit Verbrechern und Narren zu tun hat, muß verbrecherisch und närrisch handeln, sonst hört er auf. Mit Haut und Haar.“ Darein verstrickt, wider Willen, macht sich auch der Protagonist und Erzähler schuldig und zeigt, in einem inneren Prozess der Läuterung, in äußerer Gerichtsverhandlung, in seiner Gewissensnot einen Ausweg auf, hin zu einem humanistischen Ideal, zu Mitmenschlichkeit, zu einem Gott mit menschlichem Antlitz. Glaube, wie auch immer, verlangt Liebe, Bekenntnis und Wahrhaftigkeit. Unmenschlichkeit hingegen keimt schon im Kleinen auf: in der Verachtung, in der Gleichgültigkeit, in der Lüge; in all jenen, die „geil auf Katastrophen […] mit dem Unglück anderer Leute im Bett [liegen] und […] sich mit einem künstlichen Mitleid [befriedigen].“

Die Sprache Horváths, mit ihren gelegentlichen Austriazismen, demaskiert präzise Jargon und Haltung des kleinbürgerlichen Opportunisten, wie sie auch nicht spart mit entlarvender Kritik am passiven Abseitsstehen von Bildungsbürger, Fabrikant und Klerus. Wenn über dem ländlichen Idyll einer Dorfkirche „blauer Dunst“ aufsteigt, tritt die symbolische Ebene in den Vordergrund, die Ferne der Kirche zum Menschen zutage: „Im Pfarrhaus drinnen ist Sauberkeit. Kein Stäubchen fliegt durch die Luft. Im Friedhof daneben wird alles zu Staub.“ Gegen Ende wird auch der Pfarrer sich wieder dem Menschen zuwenden, Schritt auf Tritt, in diesem szenisch verfaßten Prosastück. Die kommentierte Werkausgabe, herausgegeben von Traugott Krischke, ist mit einem kurios verwurstelten Apparat versehen, der die Genese des Romans pedantisch nachvollzieht und in seinen Anmerkungen andernorts hermetisch selbstbezüglich bleibt. (Es fehlt nur noch eine Seitenkonkordanz.) Glücklicherweise bedarf es der Endnoten zur Lektüre nicht; eine biographische Notiz im Vorsatz, wie sonst üblich bei Suhrkamps Taschenbuchreihe, wäre jedoch wünschenswert gewesen. In einem Fahnen betitelten Abschnitt schreibt der 1938 verstorbene Horváth unverschlüsselt von den „Divisionen der Charakterlosen unter dem Kommando von Idioten“, und weiter: „Wenn kein Charakter mehr geduldet wird, sondern nur der Gehorsam, geht die Wahrheit, und die Lüge kommt.“ Vielleicht erklärt sich so die Bereitschaft des deutschen Michels, autoritätshörig sein Fähnlein in den Wind zu hängen. Und nichts gewußt zu haben. Nicht davon, von nichts, anno 1945.

183 Seiten, Taschenbuch
dt.-sprachig
Roman, Literatur, Deutschland

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 06.10.2008. Revidiert am 15.10.2008.]

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mmviii.vi

Oktober 11th, 2008 — 5:28am

Thomas Morus: Ausgewählte Briefe
St. Benno-Verlag, Leipzig 1986

beg, bee: 02/2008, 14.03.2008

Herausgegeben und eingeleitet von Franz Peter Sonntag…

Autobiographische Zeugnisse des Heiligen und Märtyrers der Römisch-Katholischen Kirche.

168 Seiten, Festeinband
dt.-sprachig (Ü: Ruth u. Walter F. Schirmer)
Geschichte, Humanismus, 16. Jh., England

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 17.08.2008.]

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