Tag: Literatur


Simile dissimile

Mai 23rd, 2009 — 4:32a.m.

„[A]m schönsten scheint es mir aber jetzt, wenn die Herbstsonne Vesper hält und sich der Himmel schmachtend bläut; wenn die Schöpfung aufatmet nach der Hitze, wenn die Kühlung sich erhebt und das Blatt auf der Wiese wollüstig zittert, während der Wald wispernd fächelt, wenn die Sonne an den Abend denkt, um im Meer sich zu kühlen, wenn die Erde sich zur Ruhe schickt und an ihr Dankgebet denkt, wenn sie vorm Abschied einander verstehen im zärtlichen Zusammenschmelzen, das den Wald dunkelt und die Wiese grüner macht.“

(in der Übersetzung Hans Reuters, in: Edvard Lehmann: Die Klassiker der Religion, Band 8-9: Sören Kierkegaard, Berlin 1913: S. 41)

„[A]m schönsten dünkt es mich jetzt, wenn die Augustsonne halb gegen Abend steht und der Himmel schmachtend verblaut; wenn die Schöpfung aufatmet nach des Tages Hitze, wenn der kühlende Hauch zu wehen beginnt und die Wiesenbreite wollüstig zittert unter dem Fächeln des Waldes; wenn die Sonne auf den Abend sinnt, um im Meer sich zu kühlen, wenn die Erde sich zur Ruhe schickt und auf die Danksagung sinnt, wenn sie vor dem Scheiden sich verstehen in dem zarten Verschwimmen, welches den Wald dunkeln läßt und die Wiese noch grüner macht.“

(in der Übertragung Emanuel Hirschs unter Mitarbeit von Rose Hirsch, Düsseldorf 1958, hier: Simmerath 2004: S. 18)

N.b.: Sprachlich ist fraglos die Übersetzung der Stadier paa livets vei (1845) durch den jung verstorbenen Reuter überlegen, nicht zuletzt, weil die Variante Hirschs überraschend häufig ungelenk und an anderer Stelle epigonal anmutet.
Neben ästhetischen Aspekten kann nicht vernachlässigt werden, inwieweit die Kierkegaard-Deutung und -Übertragung des letzteren durch sein deutsch-christliches, und später genuin nationalsozialistisches, Engagement beeinflußt ist. (So ist die Gewissensethik Hirschs nach 1933 klar normativ und ideologisch, „durch heilige Bindung“, am Nationalsozialismus ausgerichtet.)
Aus diesen Gründen ist zu bedauern, daß Kierkegaards Werk in der Übersetzung Reuters einzig fragmentarisch, in Anthologieform, vorliegt, und der Rückgriff der Gesamtausgabe im Grevenberg Verlag auf Hirsch muß kritisch stimmen.

„[M]en skjønnest synes det mig nu, naar Høstsolen holder Midaften og Himlen blaaner smægtende; naar Skabningen aander efter Heden, naar Kølingen giver sig løs, og Engens Blad zittrer vellystigt medens Skoven vifter; naar Solen tænker paa Aftenen for at svale sig i Havet, naar Jorden skikker sig til Hvile og tænker paa Taksigelsen, naar de før Afskeden forstaae hinanden i den ømme Sammensmelten, der mørkner Skoven og gjør Engen grønnere.“

(Digitalisierte Fassung des Originaltextes: SKS elektronisk udgave)

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Flaneur-Elaborat

Mai 4th, 2009 — 4:20a.m.

Worüber man vergeblich in Büchern Aufklärung suchte, darüber bekommt man plötzlich Licht, wenn man ein Dienstmädchen mit dem andern reden hört; einen Ausdruck, den man vergeblich seinem eigenen Hirn auspressen wollte, in Wörterbüchern, selbst in der Gesellschaft Gelehrter vergeblich gesucht hat, bekommt man im Vorbeigehen aus dem Munde eines gemeinen Soldaten zu hören, der nicht einmal wei[ß], wie reich er ist. Und wie einer, der in dem gro[ß]en Wald geht, mit Staunen über dem Ganzen bald einen Zweig, bald ein Blatt sich bricht, dann wieder einem Vogelschrei lauscht, so geht es einem, wenn man sich unter die Menge mischt: da sieht man jetzt eine [Ä]u[ß]erung eines Seelenzustandes, dann wieder eine andere, man lernt und wird nur immer noch lernbegieriger. So lä[ß]t man sich nicht von Büchern betrügen, als käme das Menschliche so selten vor; so wendet man sich auch nicht an die Zeitungen; das Beste an der [Ä]u[ß]erung, das Liebenswürdigste, der psychologische kleine Zug wird doch manchmal nicht wiedergegeben.

ex:
Sören Kierkegaard: Stadien auf dem Lebenswege, Leipzig 1886, S. 458
(in: Harald Höffding: Sören Kierkegaard als Philosoph, Stuttgart 1896, S. 60f.)

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mmix.xiii

April 22nd, 2009 — 11:44p.m.

Claude Anet: Im Banne Asiens
C. Weller & Co., Leipzig / Wien 1927

beg, bee: 15.04.2009, 16.04.2009

weniger eine Reiseschilderung denn schwärmerische Erotica

224 Seiten, Festeinband
dt.-sprachig (Ü: Georg Schwarz)
Roman, Literatur, Fin de siècle, Frankreich

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Dies iræ

April 15th, 2009 — 3:44a.m.

Aut hic errat (ait) nulla cum lege per ævum
Mundus, & incerto discurrunt sidera motu:
Aut, si fata movent, orbi, generíque paratur
Humano matura lues. terræ ne dehiscent,
Subsidentque urbes? an tollet fervidus aër
Temperiem? segetes tellus infida negabit?
Omnis an infusis miscebitur unda venenis?
Quod cladis genus, ô Superi? qua peste paratis
Sævitiam? extremi multorum tempus in unum
Convenêre dies.

(Liber I, Versus 642-651, p. 47)

ex:
Marcus Annæus Lucanus: De bello civili sive Pharsalia
cum Hug: Grotii, Farnabii notis integris & Variorum selectiß.
Accurante Corn: Schrevelio.
Officina Elzeviriana, Amstelodami [Amsterdam] 1658

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mmix.xii

April 15th, 2009 — 2:28a.m.

Don DeLillo: Cosmopolis
Picador, London 2003

beg, bee: 14.03.2009, 14.04.2009

211 Seiten, Festeinband
engl.-sprachig
Roman, Literatur, Postmoderne, Nordamerika

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mmix.ix / mmix.x

März 31st, 2009 — 7:06p.m.

Jennifer Rardin: Biting the Bullet. A Jaz Parks Novel (3)
Orbit, New York / London 2008

beg, bee: 21.03.2009, 22.03.2009

Jennifer Rardin: Bitten to Death. A Jaz Parks Novel (4)
Orbit, New York / London 2008

beg, bee: 22.03.2009, 29.03.2009

328 Seiten und 312 Seiten, Taschenbuch
engl.-sprachig
Romane, Literatur, Belletristik, Urban Fantasy

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mmix.vii

März 19th, 2009 — 4:31p.m.

Emil M. Cioran: Über das reaktionäre Denken. Zwei Essays
(Ü: François Bondy)

beg, bee: 09.03.2009, 18.03.2009

Joseph de Maistre
Valéry und seine Idole

in:
E.M. Cioran: Werke
Suhrkamp Quarto
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2008
S. 1833-1902

2085 Seiten, Broschur
dt.-sprachig
Philosophie, Aufklärung, Rumänien, Frankreich

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mmix.v

März 8th, 2009 — 8:15p.m.

Rainer Stephan: Gebrauchsanweisung für das Elsaß
Piper Verlag, München 2004
2. Auflage 2007

beg, bee: 05.03.2009, 08.03.2009

Elsaß-Lothringen, das ist ein Fokalpunkt europäischer Geschichte, deutsch-französischer Erbfeindschaft und Nachkriegsfreundschaft, das Elsaß eine Region, die die Kultur des Savoir-vivre mit deutscher Gemütlich- und Bodenständigkeit fruchtbar amalgamiert, ein „Dreyeckland“ zwischen Basel, Freiburg und Straßburg, das seine Eigenständigkeit gegenüber dem nachbarschaftlichen Übergewicht der „Schwoben“ einerseits und Pariser Zentralismus andererseits behauptet und gewahrt hat. Pfleglich gehegte Provinzialität erwies sich als Keimzelle, gelebte Interkulturalität (stets zwischen allen Stühlen) als Ausdruck wenn nicht ausgesprochen pro-, so doch paneuropäischer Gesinnung, ein Regionalismus mit unverwechselbaren Zügen charmanter Renitenz.

Rainer Stephans über weite Strecken vergnüglich abgefaßte Gebrauchsanweisung, erschienen in Pipers reizvoller Reihe literarischer Regionalportraits abseits von Reiseführern und Urlaubsplanern, eröffnet dem Leser ein humorvolles Elsaßpanorama mit kulinarischen Reflexionen über saures choucroûte royal (das in Ungarn besser schmeckt) und erklecklicher Sommelier- und Gourmetkunde (wie ein bunter Hund scheint er bekannt mit allerorten Dreisterneköchen): so firmiert der Pinot Gris im Elsässischen unter „Grauclevner“ (und wurde als Tokai d’Alsace vor dreihundert Jahren aus Ungarn importiert), mit einer Entourage seitab touristischer Routen und Urlaubsnepp und erquicklichen Einsichten in das schwierige Verhältnis des Elsässers zum Deutschen. Darin spart er nicht mit Sticheleien gegen Anrainer beiderseits des Rheins.

Matthias Grünewalds „Isenheimer Altar“, der Pfifferdaj, der alljährlich in Ribeauvillé an die Gerichtsbarkeit und Steuerhoheit der deutschen Grafen von Rappoltstein im damaligen Rappoltsweiler über Gaukler und fahrende Spielleute erinnert, der Sechseimerbrunnen, das Obertor und die Künstlerkolonie von Boersch – in Stephans Buch gibt es für den deutschen Leser viel zu entdecken über das Elsaß, wie z.B. die von Adalbert von Chamisso noch besungene Burg Niedeck oder ein zur Waldwirtschaft umfunktioniertes altes Forsthaus im Elmerforst und auch einen ostwärts (gen Deutschland: als Mahnung?) gerichteten Panzer in Kientzheim. Straßburg, die alte freie Reichsstadt, Präfektur (nebst Colmar) der Départements Haut-Rhin und Bas-Rhin (die zusammen die in der französischen politischen Terminologie ausgesparte Region Elsaß bilden), behandelt der Autor facettenreich und erschöpfend – und doch wird der Leser angehalten, weiter nachzuforschen.

Der Zusammenhang zwischen Straßburgs malerischem, von der Vaubanwehr eingefaßten Gerberviertel Petite France und der Syphilis, beispielsweise, findet sich nicht im Buch. Dazu schwingt im Autoren vielleicht zuviel Lokalpatriotismus mit. Die Sprache Stephans ist kurzweilig, die Kapitelübergänge beredt, und auch wenn ein großer Erzählbogen ausbleibt, sind die Exkursionen, Hakenschläge und Detours in diesem anregenden Kultur- und Historienreigen lehrreich und bildhaft, ohne das Gris en gris des modernen Elsaß und seiner Vorstädte in Mulhouse (Mühlhausen), Straßburg und Schlettstadt (Sélestat) – und damit Frankreichs – zu verschweigen. „[D]ie altmodische Kunst des Bücherlesens läßt einen auch heute noch persönliche Abenteuer erleben, die andere nur aus dem Kino kennen“ (S. 107), so resümiert Stephan die phantastische Begebenheit um Stanislas Gosse, dem Arsène Lupin d’Alsace, und er läßt den Leser teilhaben an filmreifer, bibliophil motivierter Kleptomanie, wie sie vielleicht nur noch im Elsaß zu finden ist.

191 Seiten, Broschur
dt.-sprachig
Reiseliteratur, Region Alsace-Lorraine, Frankreich

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mmix.iv

März 4th, 2009 — 7:38p.m.

Leo N. Tolstoj: Die Kreutzersonate / Der Teufel
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek b. Hamburg 1961

beg, bee: 24.02.2009, 04.03.2009

antimodernistisch, christliche Morallehre

160 Seiten, Taschenbuch
dt.-sprachig (Ü: Alexander Eliasberg, Svetlana Geier)
Prosa, Literatur, Rußland

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Mis·chievous·information

Februar 3rd, 2009 — 12:43a.m.

The next day Denise decided to confront her mother directly about the medication she was or was not taking […] All six of us where jammed into the car on our way to Mid-Village Mall and Denise simply waited for a natural break in the conversation, directing her question toward the back of Babette’s head, in a voice drained of inference.
„What do you know about Dylar?“
„Is that the black girl who’s staying with the Stovers?“
„That’s Dakar,“ Steffie said.
„Dakar isn’t her name, it’s where she’s from,“ Denise said. „It’s a country on the ivory coast of Africa.“
„The capital is Lagos,“ Babette said. „I know that because of a surfer movie I saw once where they travel all over the world.“
The Perfect Wave,“ Heinrich said. „I saw it on TV.“
„But what’s the girl’s name?“ Steffie said.
„I don’t know,“ Babette said, „but the movie wasn’t called The Perfect Wave. The perfect wave is what they were looking for.“
„They go to Hawaii,“ Denise told Steffie, „and wait for these tidal waves to come from Japan. They’re called origamis.“
„And the movie was called The Long Hot Summer,“ her mother said.
The Long Hot Summer,“ Heinrich said, „happens to be a play by Tennessee Ernie Williams.“
„It doesn’t matter,“ Babette said, „because you can’t copyright titles anyways.“
„If she’s an African,“ Steffie said, „I wonder if she ever rode a camel.“
„Try an Audi Turbo.“
„Try a Toyota Supra.“
„What is it camels store in their humps?“ Babette said. „Food or water? I could never get that straight.“
„There are one-hump camels and two-hump camels,“ Heinrich told her. „So it depends which kind you’re talking about.“
„Are you telling me a two-hump camel stores food in one hump and water in the other?“
„The important thing about camels,“ he said, „is that camel meat is considered a delicacy.“
„I thought that was alligator meat,“ Denise said.
„Who introduced the camel to America?“ Babette said. „They had them out west for a while to carry supplies to coolies who were building the great railroads that met at Ogden, Utah. I remember my history exams.“
„Are you sure you’re not talking about llamas?“ Heinrich said.
„The llama stayed in Peru,“ Denise said. „Peru has the llama, the vicuña and one other animal. Bolivia has tin. Chile has copper and iron.“
„I’ll give anyone in this car five dollars,“ Heinrich said, „if they can name the population of Bolivia.“
„Bolivians,“ my daughter said.
The family is the cradle of the world’s misinformation. There must be something in family life that generates factual error. Overcloseness, the noise and heat of being. Perhaps something even deeper, like the need to survive. Murray says we are fragile creatures surrounded by a world of hostile facts. Facts threaten our happiness and security. The deeper we delve into the nature of things, the looser our structure may seem to become. The family process works toward sealing off the world. Small errors grow heads, fictions proliferate. […] The family is strongest where objective reality is most likely to be misinterpreted. What a heartless theory, I say. But Murray insists it’s true. (pp. 80-82)

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