Tag: Literatur


Jimmie Durham: Ka! Ni! Kamama, An Dia

Oktober 11th, 2008 — 4:37a.m.

Ka! Kamama ist das Tscherokesenwort
Für Schmetterling oder Elefant.

Als wir Kamama zum ersten Mal sahen,
War es weniger Ehrfurcht
Vor seiner Größe, an dia – sagt man -,
Als vor seinem großspurigen Geflatter.

In unserem Denken betonen wir gern den Zusammenhang
Aller Dinge.
Ka! Ni! Kamama, an dia –
He! Schau! Ein Schmetterling, sagt man.

ex:
Jimmie Durham: –
Poesiealbum 209
Verlag Neues Leben, Berlin 1985

Besprechung

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 31.07.2008.]

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mmviii.ii

Oktober 11th, 2008 — 4:28a.m.

Jimmie Durham: –
Poesiealbum 209
Verlag Neues Leben, Berlin 1985

beg, bee: 31.07.2008, 31.07.2008

In die kollektive Erinnerung deutscher Leser sind die amerikanischen Ureinwohner janusgesichtig eingegangen, in Gestalt des heroischen edlen Wilden rousseauschen Zuschnitts, manifest in Karl Mays Romanen, und als verschlagene Bestie, unbarmherzig und blutrünstig, wie verkörpert in James Fenimore Coopers Last of the Mohicans durch Magua. Diese auch heute noch nachwirkende Ambivalenz in der Zuschreibung indianischen Charakters durch die Europäer wurde von Cooper in seltsamer Offenheit gefaßt, als Widerstreit idealisierter Typoi, wenn es in der Einleitung heißt: “Few men exhibit greater diversity, or, if we may so express it, greater antithesis of character, than the native warrior of North America. In war, he is daring, boastful, cunning, ruthless, self-denying, and self-devoted; in peace, just, generous, hospitable, revengeful, superstitious, modest, and commonly chaste.” Magua, jener im Umgang mit der Zivilisation gefallene Wilde, kann ob seiner Trunk- und Rachsucht auch gelesen werden als Vorläufer eines neuen Stereotyps, in dessen Wahr-Nehmung Typisierung und (größerer Grad an?) Realismus ein negatives Bild zeichnen: jenes des in Arbeitslosigkeit, Armut und Alkoholismus verharrenden, apathischen Ureinwohners. (Diese “Verfalls-Anschauung” ist in ihrer Zuschreibung der Wahrnehmung des anderen, in der Begegnung mit europäischer Zivilisation “primitiv” gedachten Volkes, der Aborigines Australiens, nicht ungleich: ein marginalisiertes Volk, rück- und randständig, überfordert und damit übergangen von den Segnungen der Moderne.) Warum also nicht zur Abwechslung (um der Authentizität willen?) auf die Stimme hören eines Vertreters jener Native Americans?

Mit Jimmie Durham, “[geboren] am 10. Juli 1940 als Stammesmitglied der Tscherokesen”, präsentiert sich im Poesiealbum 209 ein “Wortführer der Amerikanischen Indianerbewegung” der 1970er mit kraftvollen und melancholischen Gedichten, die ihn als politischen Aktivisten ebenso auszeichnen wie als genauen Beobachter und Chronisten seiner Generation und ihres Ringens um Anerkennung. Nicht müde des Kampfes, restauriert er den Stolz der indigenen Völker in ihrer Historie und verzichtet doch auf Kriegsgeschrei und Überhöhung, paart mythologische Bezüge mit sozialem Befund, worin ohne Larmoyanz auch Vorwurf und Anklage eingeflochten werden, schreibt ebenso agitatorisch wie lyrisch. Durhams Gedichte knüpfen an an die orale Tradition der nordamerikanischen Ureinwohner, Sprache ist ihm Erzählen und nicht Kunst oder Medium um seiner selbst willen; Erzählen von den Vorfahren und von den Mißständen, Deutung des Geschehenen und Kündung von Künftigem, Wach- und Warnruf zugleich. Gekleidet in eindrückliche Naturmetaphern birgt fast jeder Vers einen Appell zum Widerstand – gegen das Phlegma, das Vergessen, die Erniedrigung: die littérature éngagée als soziale Frage. “Die Historiker verlangen, daß wir von Alexandria erfahren / Und von Paris; die Namen von Ganges, Nil und Rhein / Haften im Gedächtnis der Kinder. // Der antiken Waldstadt Echota, / Wiege, Hoffnung und Herz eines Volkes, älter / Als die Pyramiden, gewährt man kein ehrendes Gedenken”. Selten ertappt der (europäische) Leser sich so verhaftet in seiner genuin europäischen Weltdeutung. Realismus und Belehrung gehen in Durhams Texten eine fruchtbare Verbindung ein, unbeschönigt, reflektiert und – überraschend.

Auszug: Ka! Ni! Kamama, An Dia
weitere Empfehlungen: Familienbindungen; Regenkrähenlied; Als Wildkatze entwischte; Mäusesegen

32 Seiten, Heft
dt.-sprachig (Ü: Edith Anderson)
Lyrik, Literatur, Nordamerika

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 31.07.2008.]

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mmviii.i

Oktober 11th, 2008 — 3:48a.m.

Kathrin Schmidt: –
Poesiealbum 179
Verlag Neues Leben, Berlin 1982

beg, bee: 28.07.2008, 28.07.2008

Die Poesiealben des Verlags Neues Leben versammelten in der DDR von 1967 an, mit Augenmerk auf Schreiber des Ostblocks, in schmalen Heftchen namhafte wie auch junge neue Dichter, mit Auswahl- und Erstlingswerken. Dieser Band 179 der Reihe ist das Debüt der 1958 in Gotha geborenen Schriftstellerin Kathrin Schmidt, deren lyrisches Werk mir soweit unbekannt war, und beweist jugendliche Wortgewalt und Empfindsamkeit, welche ungewohnt scheint mit Blick auf die sterile, fast technische Methodik heutigen Dichtens. Sprachliche Experimente werden nur am Rande vorgeführt, zeugen aber in ihrer sparsamen Verwendung von der erstaunlichen Versiertheit der anno ‘82 23-, 24-jährigen Autorin; das Hauptmoment liegt auf eindrücklichen Bildern von Liebe, Verlust, Abschied und sinnlichem Wunsch, die einer unbändigen Lebenslust entspringen, wie sie ein jedem jungen Menschen innewohnt, so offen in die Begegnung mit Lebensangst und Lebenshunger aber nur selten ausgetragen wird. Der Übergang hyperrealistischer Detailtreue hin zum entfesselten Assoziationsspiel vollzieht sich mit jugendlicher Kraft, deren Verletzlichkeit im Balanceakt glaubhaft dem Leser angetragen wird und ihn faßt: Erinnerung, die sich in Lektüre vollzieht. Wie Kathrin Schmidt erdigen Metaphern eine facettenreiche, träumerisch-leichte Qualität abgewinnt und das Fährnis blutleerer Abstraktion umschifft, verspricht, dem “menschlichsten Fleisch” eine neue, schöpferisch-kraftvolle Stimme zu geben: der Sprache selbst. Im Verweisspiel mancher Texte scheint zuweilen auch eine politische Ebene auf – impliciter, genuin persönlich -, die zeitübergreifend bleibt und so weiterhin gültig den Anspruch freier dichterischer Sphäre und Menschlichkeit behauptet – gegen die Zeit und gegen die Umstände. Daß in der DDR eine solche Reihe wohledierter Lyrik monatlich aufgelegt wurde, zu “erhalten [..] an Zeitungskiosken und in jeder Buchhandlung”, läßt mich Vergleichbares in der heutigen kahlgefegten Lyriklandschaft umso mehr schmerzlich missen.

Auszug: Unterwegs zu meiner Mutter
weitere Empfehlungen: Heilkraut; Vorm Bäcker; Es ist kein Zweifel; Aufzug am Horizont

32 Seiten, Heft
dt.-sprachig
Lyrik, Literatur, DDR

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 28.07.2008.]

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Kathrin Schmidt: Unterwegs zu meiner Mutter

Oktober 11th, 2008 — 3:43a.m.

zug um zug komm ich näher
dem laub deiner stimme /
ich habe dies grünwarme dach schon
über mir fast / es blieb nach
dem tode des manns / meines
vaters / als nächtliches fragen
aus gründen des kälteren lakens
auch tage zerschlugen
wie irdnes getöpf / du
schnittest dich oft

ich fall aus dem bahnhof in eile / wie du gefalln
aus der trauer beim blick auf
die söhne und töchter /
eine davon rennt jetzt hinauf
zur stets warmen klinke /
die augen blauer
als irgendwann sonst

ex:
Kathrin Schmidt: –
Poesiealbum 179
Verlag Neues Leben, Berlin 1982

Besprechung

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 28.07.2008.]

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non forstår

Oktober 11th, 2008 — 3:35a.m.

die zungen springen wieder im
quartett und folgen leichtgefüßt
lauten kaskadierend trauten
liedern
casus lapsus exorzitien
stimmeln sträwkcür sinn/en/stellt
labiales konterfeuer
kuriose stammelei

in alle richtung wund/ge/wendet

wandeln stille pfade sie
züngeln an den interdentes
wohin leicht sich wort verliert
vexiert
und circes flirtelei verziertes
sich beswingt an tenner/reihen
flugs vorbei hin quadrilliert
im zungen/schlage füsilliert

[Archiv: Ursprünglich veröffentlicht am 04.07.2008.]

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