Tag: Deutschland


[Brod] – Identitätsstiftung I

Januar 6th, 2013 — 2:43am

Das Wort Brod wird in Berlin in doppeltem Sinne gebraucht, nämlich 1) kollektiv für das aus Mehl mit Sauerteig oder Hefe hergestellte Gebäck, z. B. Salz und Brod, 2) für ein einzelnes Stück dieses Gebäcks, das in Berlin von Haus aus längliche Form etwa von der Länge eines halben Meters hat. Man sagt daher ein Brod, zwei Brode usw. Nur die erste Bedeutung ist gemeinhochdeutsch, die zweite ist auf Norddeutschland beschränkt. Für das einzelne Stück des Gebäcks sagt man im übrigen Deutschland, wenn es die kreisrunde Form hat, die dort statt der länglichen in Berlin üblichen die gewöhnliche ist, ein Laib, vollständiger ein Laib Brod.

Das Wort Laib ist hauptsächlich oberdeutsch, und das mittlere Deutschland bildet die Grenzzone zu dem norddeutschen Brod. Nördlich reicht Laib bis Saarbrücken, Wiesbaden, Frankfurt, Fulda, Kassel, angeblich auch Hannover (?), aber nicht Göttingen, dann Meiningen (in Marktneukirchen nur Laibbrod im Sinne von Schwarzbrod), Bautzen. In Dresden fehlt es, in Breslau ist es selten. Im westlichen Böhmen (Eger, Chotieschau, Winterberg) kommt Laib vor, aber nicht im östlicheren Teile von Nordböhmen (Leitmeritz, Leipa, Lobositz, Reichenberg) und in Schlesien. Dagegen in Mähren ist Laib vertreten. In Siebenbürgen und in der Schweiz fehlt es. In Fulda heißt das längliche Brod Laib, das runde ist dort selten: die Gestalt des Brodes ist also daselbst norddeutsch, die Bezeichnung süddeutsch 151 Fn 1). Ebenda heißt ein längliches Brödchen aus grauem Weizenmehl Kümmel- oder Kreuzerlaibchen.

Frühstücksbuffet

Frühstücksbuffet

Der geographische Unterschied nordd. Brod: südd. Laib beruht darauf, daß das Wort Laib = got. hlaifs ahd. hleib angls. hláf dem Ndd. 151 Fn 2) (und., wenigstens teilweise, auch den md. Mundarten) fehlt. Schon im Heliand V. 2845 wird brod für das Stück des Gebäcks gebraucht: girstin brodi fibi fünf Gerstenbrode – mhd. mit zwelf leiben Ulrich v. Türl. Willehalm, aber auch zwelf prôt Wolfram Parzival. Der lexikalische Unterschied hängt auch mit der Form des Gebäcks zusammen, insofern Laib das im Süden übliche runde Brod bezeichnet. Daß Fulda eine Ausnahme macht, ist in seiner Lage in der Grenzzone begründet.

Die zuerst genannte kollektive Verwendung des Wortes Brod schließt in Berlin Schwarz- und Weißbrod d. h. gemischtes und Weizenbrod ein. In Wien denkt man dagegen bei Brod nur an Schwarzbrod. Wer in einem Restaurant „Brod“ bestellt, erhält in Berlin den Korb mit Weißbrod oder mit Weiß- und Schwarzbrod, in Wien dagegen nur Schwarzbrod. Sonst müßte man Gebäck oder Semmeln ver-

151 Fn 1) Popowitsch Voc. Austr. I fol. 239 kennt Laib aus Öst., Bay., Schwaben, Hessen, Mainz „und klingt es in den Ohren aller dieser Völker seltsam, wenn sie hören, daß die Sachsen das Wort Brod in der Bedeutung eines Laibes gebrauchen.“
151 Fn 2) Das Fehlen von Laib im Westfälischen vermerkt v. Eye, Deutsche Mundarten II 507. Auch dem Luxemburgischen und Lothringischen scheint das Wort fremd.

langen [verlangen]. Nur bei der Bezahlung sagt man auch in Wien ein, zwei, drei Brod usw. an, worin Schwarz- und Weißbrod zusammengefaßt sind.

Unter Schwarzbrod versteht man in Berlin das aus Roggen- und Weizenmehl gebackene Brod; man wendet den Ausdruck nur an, wenn man Gewicht auf die Unterscheidung von Weißbrod legt. In Österreich und Bayern sagt man dafür Hausbrod, offenbar weil man es früher im Hause herstellte, während man das Weißbrod vom Bäcker bezog. So heißt es schon in Ant. Tuchers Haushaltsbuch (1507-1517) S. 48: „Das Hausprat hab ich selbs pachen laßen 152 Fn 1).“ In Nordwestdeutschland (Westfalen, Köln, Norden) wird das gemischte Brod Graubrod genannt, weil die Bezeichnung Schwarzbrod hier dem wirklich schwarzen reinen Roggenbrode vorbehalten ist; so heißt auch der sogen. Pumpernickel, der aus ungebeuteltem, daher noch die Kleie enthaltendem Roggenmehl gebacken ist. Nach Frischbier Wb. I 110 hat Schwarzbrod in Ost- und Westpreußen dieselbe Bedeutung.

Für Weißbrod sagt man, wie schon bemerkt, in Wien gewöhnlich Gebäck. Dagegen versteht man in Nord- und Mitteldeutschland unter Gebäck die kuchenartige Backware, die zu Kaffee und Tee gegessen wird, die in Österr. vielmehr Bäckerei heißt, z. B. Teebäckerei, in Berlin Teekuchen, feiner Teegebäck. Also:

Brod in Berlin = Gebäck in Wien
Gebäck in Berlin = Bäckerei in Wien

Die wortgeographische Behandlung der übrigen Namen von Brodarten, besonders der Weißbrodgattungen, wird dadurch etwas verwickelt, daß mit den verschiedenen Namen auch Verschiedenheit der Art und der Form des Gebäcks Hand in Hand geht. Für uns kommen die vielen örtlichen Abarten, wie sie beim Weißbrod bestehen und die anderwärts keine Parallelen haben, nicht in Betracht, sondern nur die Fälle, wo es sich um wirkliche Synonyme handelt.

Frühstücksbeilagen

Frühstücksbeilagen

Neben dem runden Laib kommt auch im Süden eine längliche Form des Schwarzbrodes vor, die aber beträchtlich kleiner ist als in Norddeutschland. Dieses längliche Schwarzbrod heißt in Aschaffenb. Brodstolle. Im übrigen Bayern unterscheidet man zwei Formen, den Wecken und den Kipf 152 Fn 2). Der Wecken ist länger als der Kipf, dieser läuft in schärfere Spitzen aus. Der Wecken kostete z. B in Würzb. 40 Pfennig, der Kipf 20 Pf., ist also nur halb so groß wie jener.

152 Fn 1) Vgl. noch Teutsch-Lat. Wörterbüchlein von Nürnb. 1733 S. 54: Hausbrod Panis cibarius.
152 Fn 2) Vgl. Schmeller Wb. I 1273.

Mit dem Kipf nicht zu verwechseln ist das Kipfl, österr. Kipferl, schweiz. Gipfel (s. Art. Hörnchen). In einem Teil von Österreich heißt das längliche Schwarzbrod der Strutzen (in Salzburg., Aussee, Tirol 153 Fn)) oder das Strützel (Strietzel), so in Böhmen, Mähren, Troppau, Kärnten. Vgl. Lexer Kärnt. Wb. 244. Schmeller Wb. II 822. Der Name Strützel, schon mhd. strutzel, strützel, ist weit verbreitet, bezeichnet aber stellenweise ein Gebäck aus feinem Weizenmehl, zum Teil kuchenartig; so der Wiener Strützel, ein geflochtener Kuchen. Solche Strützel, die häufig Zopfform haben, sind im ganzen östlichen Deutschland vertreten, in Ost- und Westpreußen (Kanel-, Butterstritzel Frischbier Wb. II 382), Schlesien, Mark, Dresden, auch in Tirol, der Mohnstrützel (Frankfurt a. O., Schlesien), Eierstrützel, Weihnachtsstrützel, der in Leizig Stolle heißt. Vgl. Höfler, Weihnachtsgebäcke (Wien 1905) S. 39 ff.

153 Fn) Schöpf Id. 722 Strutzen ersetzt hier also Wecken.

[Fortsetzung folgt in Abschnitt II]

(Paul Kretschmer: Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache.
Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1918, S. 150-153)

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Anti-German Bias and the New York Times

November 23rd, 2012 — 5:58am

Pulled from two articles published online by the esteemed New York Times on 22 November 2012:

„The euro was established as a common currency with too little preparation and institutional support. And, over the past year, Chancellor Angela Merkel of Germany has been destructively pushing her partners to enact laws that would prolong the recession by setting rigid deficit ceilings, denying countries the fiscal flexibility sometimes needed to revive growth.“ (Editorial: Britain’s Place in Europe)

„Whisper it quietly, but the real champion in the group turned out to be Dortmund. The German club, …“ (Global Soccer: Teams From Germany and Spain Dominate Champions League)

Both reinforce the impression, that a strong and continuing anti-German bias has been prevalent for months (years) now in the New York Timescommentary on the European financial crisis; often outspokenly such as in much of Paul Krugman’s analysis of economic and fiscal policy in the Eurozone, establishing the narrative of a German-dominated and German-rooted austerity folly (and bullying of the Southern periphery) while reeking of self-righteousness1 and myopic sensationalism, at other times highly manipulative in its portrayal of German issues or general topics wherein carefully placed characterisations2 and cheap shots tinge the account (mingling fact and fiction) and fuel anti-German stereotypes.

But let’s rather whisper it quietly, to what lows the Times has sunk…

1: Krugman’s firm and long-standing bias reveals itself already in an comment on the 1990s‘ sick man of Europe which is still available on his MIT-website: Why Germany Kant Kompete.
2: Such as the „Teutonic[s‘] guttural jeering“ (here) or the Germans‘ ex negativo characteristics (lack of passion, flexibility, „individual prowess“) as smugly devised by Roger Cohen.

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Schiemannsgarn op Platt

April 13th, 2012 — 1:15am

Ende letzten Jahres schrieb ich wehmütig um den Verlust der niederdeutschen Mundarten und verglich dies Schwinden landschaftlicher Sprach- und Kulturgeschichte mit der Pflege derselben, die sich im süddeutschen Raum im Fortbestehen der dortigen alemannischen, schwäbischen, fränkischen u.a. Dialekte bewahrt und erweist.

In meinem Projekt, aus der Erinnerung geschwundene mundartliche Texte, welche zu Anfang des 20. Jahrhunderts – à la mode? – noch in großer Zahl produziert und verlegt wurden, immer wieder aufs Neue ins digitale Gedächtnis des 21. Jahrhunderts hinüberzuretten, fahre ich heute fort mit einem Auszug aus einem Erzählungsband Johann Wilhelm Kinaus, welcher besser bekannt ist unter seinem Pseudonym Gorch Fock – als Namenspatron des Segelschulschiffs der Deutschen Marine.

Wenn einer dauhn deiht, wat hei deiht, dann kann hei nich mehr dauhn, as hei deiht.

Text: Gorch Focks Erzählung Den Seilmoker sin Piep:
Abschrift (84 kB) (PDF-Dokument)

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Fröhlich deutsch

Dezember 2nd, 2011 — 5:54am

So unterhaltsam die in der Deutschschweiz gesprochenen alemannischen Dialekte zuweilen anmuten, so fremd bleiben sie Deutschen in aller Regel auch. Die Geschichten, die das Schwizerdütsche allein in Ausdruck und regionaler Prägung bewahrt, der stolze Bezug auf Heimat und Tradition, welcher im Auf- und Fortleben der schweizerdeutschen Mundarten sich erweist, das Nichteinheimischen befremdlich nuancierte Repertoire, eine fein abgestimmte Klaviatur im Wechselspiel von Vertrautheit und Ausgrenzung, der changierende Singsang und das Chuchichäschtli als Schweizer Schibboleth (ein Gordischer Zungenknoten, wenn es denn je einen gab), die altertümliche und ausgesuchte Höflichkeit im Schimpf auf den Fremden und Mattenenglisch und Bärndütsch als klein- und kleinstteilige Ausdifferenzierungen sprachlicher Praxis – das alles ist gleichermaßen neidenswert schillernd als auch ungemein verschlossen.

Glücklicherweise können manche Defizite im Verstehen behoben werden, wenn man sich niedergeschriebener Texte annimmt und diese sich lautlich aneignet, d.h. sie vor sich hin laut liest und spricht. Erfahrungen mit süddeutschen Dialekten, samt und sonders dem Badischen, Schwäbischen, Elsässischen und West- und Oberallgäuerischen, kann helfen, nicht zuletzt uns Norddeutschen, die wir unserer niederdeutschen Mundarten und Geschichte großteils (und allzu leichtfertig) verlustig gegangen sind. Hier ein Panazee för plattdüütsch.

Text: Hanna Fröhlichs Erzählung Oha lätz! in dt. Übertragung:
O weh! (76 kB) (PDF-Dokument)
Oha lätz! (schwizerdütsch) (HTML-Fassung)

Apparat für die Übertragung:
DRS 1 Mundartlexikon
Wörterbuch Berndeutsch
Schweizerisches Idiotikon
Grimmsches Wörterbuch

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A country’s history, condensed in a person’s life

November 2nd, 2011 — 3:41pm

Berta Zeisler1 (2 February 1900 – 1 December 2010) was a German2 supercentenarian. She was born in Metz (German Empire, now France), married in Stettin (German Empire, now Poland) and lived in Wachenheim an der Weinstraße.

1: Source: Wikipedia.
Additionally, a short biographic note can be found here (on page 11), an image of her here.
2: As with all things pertaining to Elsaß-Lothringen (pardon, Alsace-Lorraine), the French seemingly feel an urge of Francization or Gallicization also of Mrs Zeisler, as evidenced here. Our outre-Rhin neighbours‘ prowess in rewriting history never ceases to amaze me.

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Medien, Strata und Ethnien

März 17th, 2011 — 6:08am

Die Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen bezeugt in ihren Leserkommentaren immer wieder eine Rezeption weit hinaus über das klassische, bürgerlich-liberale Lager bis hinein ins politisch linke Milieu, zuweilen in überraschendem Ausmaß. Wieweit solche Aufmerksamkeit sich dem Profil als konservativ-liberalem Blatt verdankt oder aber, partim, in Konträrfaszination motiviert ist, von trollig-drolligen Einträgen abgesehen, welche zwischen blauäugiger Naivität und weltrevolutionärer Phrase changieren, bietet Gelegenheit, vielfältig nachzusinnen über die politische Lagebestimmung von Land und Leuten und wohin die gesellschaftliche Mitte immer rascher zu streben (und irren) scheint. Aber auch die Leserschaft anderer Periodika besticht und überrascht immer wieder nolens volens, ad bonum, ad malum, so z.B. jene der Zeit als charakteristischem Medium des akademischen Bildungsbürgertums:

Kommentar eines Zeitlesers

Kommentar eines Zeitlesers


(Quelle: Integrationspolitik: Da lachen ja die Türken, Zeit Online vom 13.03.2011, Kommentarsektion)

… Einstellungen dieser Art gereichen der Zeit nun nicht aber zum Adel, sondern lassen mich eher grübeln ob des braunen Sumpfs unter der schalen, hauchdünnen Anmutung von Kultur und Zivilisation, die dieses Land (noch) scheiden von seiner unrühmlichsten Vergangenheit. Mit der Auflösung klassischer (Parteien-)Milieus springt Volkes Stimme immer erratischer und ungestümer im Karree und pendelt flatterhaft ohne Lot und verbindliche Norm. Es fragt sich, wann ein Verführer sich dieser Schwindelbewegungen skrupulös annimmt und aus der Pathogenese der Niedergang der zweiten Republik und Demokratie auf deutschem Boden, ad finem, eingeläutet wird.

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mmxi.i

März 8th, 2011 — 5:03am

Weihnachten mit Thomas Mann
Hrsg. v. Sascha Michel
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2009

In schmucker Ausstattung wartet diese Anthologie, erschienen im Fischer-Verlagsimprint Fischer Klassik, mit einer Auswahl von Texten aus der Feder Thomas Manns auf, die allesamt inhaltlich oder zeitlich einen Bezug zum Weihnachtsfest ausweisen. Mann, der große Romancier, ist mit zwei längeren Auszügen aus den Buddenbrooks und dem Zauberberg vertreten, die je jene Passagen aus dem Werkkontext exzerpieren, die dem Heiligen Fest gewidmet sind, was sie nun aber auch all ihrer Bezüge verlustig gehen läßt. Es schmerzt ein wenig, die meisterliche Komposition so zerteilt zu sehen. Erquicklicher sind die aufgenommenen Briefe und Tagebücher Manns, die familiäre Stimmungsbilder und politische Kommentare, Lektürenotizen und kursorische Werkkritik versammeln und die vielfältige Korrespondenz Manns von 1890 an bis Ende 1954 schlaglichtartig beleuchten: Hesse, Dehmel, Verlagsvater Samuel Fischer und Bruder Heinrich und zahlreiche andere Adressaten und Gesprächspartner bezeugen Manns Rolle und Einbindung in die Gesellschaft Münchens, Princetons und Zürichs – wie auch das Exil in Pacific Palisades und Manns entschiedenen, bitter-ironischen Dammspruch über die alte Heimat:

„Amerika muß diesen Krieg erst lernen. Das Unglück von Pearl Harbor zeigt, wie wenig es noch eine Vorstellung hat von seiner bösen Unbedingtheit, seinem Radikalism. […] Von diesem Schauplatz [im Pazifik] ist wohl noch mancher Kummer zu erwarten. Desto mehr Vergnügen macht uns Adolf mit seinen inneren Stimmen und seiner ‚raison d’être.‘ (Als Eroberer Galliens fängt er an, sich des Französischen zu bedienen, wenn auch nicht ganz richtig.) Sein Tagesbefehl bei Entlassung der Generäle und eigener Uebernahme des Kommando’s war unbezahlbar. Seit der Jungfrau von Orleans ist etwas so Romantisches nicht mehr dagewesen. Ach, die heillose Kröte, wann wird ihr einer den Kopf zertreten?“ (Brief an Agnes E. Meyer vom 23.12.1941)

So rasch wird aus dem Heiland NS-Deutschlands im Handstreich die Unke in all ihrem Unglück gekehrt, eine Lektion, die viele „Volksgenossen“ erst später bitterlich lernen mußten. Neben solch brillanten Charakterisierungen und Sentenzen des Essayistikers finden sich zahllose Alltagskommentare, die ein Licht werfen auf die eiserne Disziplin, der sich Mann unterzog, und seine nicht selten aufflackernde Unlust ob all der Pflichten. Mann, der Hypochonder, tritt in Erscheinung. Hier bewirkt die Sammlung Neugierde, den Blick auf die Tagebücher über die Weihnachtstage hinaus zu weiten. Neben Thomas Mann lädt der Verlag in gleicher Ausführung, Prägestempel, güldenem Balken, christfestlichem Motivtitel, auch zur Weihnacht mit Kurt Tucholsky. Als Reminiszenz und Ermahnung, wieder einmal zu beider Autoren Œuvre erster Hand zu greifen, könnten die Anthologien gelingen, doch sie begnügen sich zur Unterhaltung. Der Leser kann nicht umhin, sich einzugestehen, zu kapitulieren vor dieser schnellebigen Zeit mit ihrer modularisierten Lesepraxis:

Warum sich hier bescheiden zur leichten Kost anstelle wuchtiger Bände? Warum Exzerpte und durchkämmter Streifzug anstelle eines sich in Fülle entfaltenden erzählerischen Duktus und stiebender Kurzprosa im Original? Es sind dies Bücher, die einladen zum Lesen nebenher, dem Leser die Kulturtechnik aber nicht mehr gewissenhaft abverlangen. Hierzu paßt auch, daß die editorische Textarbeit sehr übersichtlich bleibt; mithin Personen, Orte, Werke ohne Bezug und Erläuterung sind – und damit Schall und Rauch. So bleibt von der Blütenlese nur eine ungefähre Ahnung, und das ist schade.

121, (6) Seiten, Taschenbuch
dt.-sprachig
Sammlung, Prosa, Deutschland

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[schelten] – visualisiert

Januar 14th, 2011 — 2:39am

In Berlin bedeutet schelten ‚erregt tadeln, Vorwürfe machen‘, schimpfen ‚Schmähworte gebrauchen‘. Während schelten in Norddeutschl. der Umgangssprache geläufig ist (auch das Subst. Schelte), nimmt es nach Südosten immer mehr ab und wird durch schimpfen ersetzt. Schon in Breslau klingt schelten gesucht, literarisch. In Württemberg sagen die Gebildeten nur schimpfen, aber die reine Volksmundart kennt noch schelten, das dem Gebildeten gewählt, dichterisch, biblisch vorkommt. Auch weiter westlich ist schelten mundartlich (in Heidelb. schenne) vertreten Fn): als hd. wird mir teils (in Saarbr., Pfalz, Els.) schelten, teils (in Kobl., Wiesb., Frankfurt, Darmst.) schimpfen angegeben. In Bayern überwiegt wohl schimpfen. Nach Schmeller Wb. II 416 wird dort schelten „vorzugsweise für fluchen“ gebraucht, was wohl nur als mundartlich gelten kann. In Österreich fehlt schelten ganz und wird nur schimpfen gesagt. Er hat sehr geschimpft, er hat mich ausgeschimpft bedeutet also dort ‚er hat sehr gescholten, er hat mich ausgescholten‘, nicht ‚er hat beleidigende Schimpfworte gebraucht‘.1

Fn) Vgl. Meisinger Wb. v. Rappenau 162. Autenrieth Pfälz. Id. 122. Els. Wb. II 412. Follmann Wb. 438.
In Schimpf zuschanden: Am Wiener Pranger

In Schimpf zuschanden: Am Wiener Pranger

(Paul Kretschmer: Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache.
Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1918, S. 404)

1: Diese Bedeutungsdifferenz findet sich im Hochdeutschen heute durchgängig im, durch Präfix angezeigten, unterschiedlichen Gebrauch von „schimpfen“ und „beschimpfen“, wobei ersteres „tadeln, klagen, fluchen, sich ärgern“, letzteres „anpöbeln, schmähen, verhöhnen, verächtlich machen“ heißt.

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mmix.xxi

August 11th, 2009 — 11:47pm

Theodor Heuss: Dank und Bekenntnis
Gedenkrede zum 20. Juli 1944
Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins, Tübingen 1954

beg, bee: 07.08.2009, 07.08.2009

Der Text kann hier als PDF-Dokument online nachgelesen werden.

16 Seiten, Heft
dt.-sprachig
Politik, Drittes Reich, Deutschland

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Deutschland, gedenke Deiner Toten II

Juli 7th, 2009 — 1:20am
Gefallen im Dienst am Land im ISAF-Einsatz, Afghanistan
International Security Assistance Force (ISAF)

23.06.2009: Kunduz
Martin Brunn (23), Hauptgefreiter, Panzergrenadierbataillon 391 (Bad Salzungen)
Oleg Meiling (21), Hauptgefreiter, Panzergrenadierbataillon 391 (Bad Salzungen)
Alexander Schleiernick (23), Hauptgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

29.04.2009: bei Kunduz
Sergej Motz (21), Hauptgefreiter, Jägerbataillon 292 (Donaueschingen)

20.10.2008: bei Kunduz
Patrick Behlke (25), Stabsunteroffizier, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)
Roman Schmidt (22), Stabsgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

27.08.2008: Chahar Dara bei Kunduz
Michael „Mischa“ Meier (29), Hauptfeldwebel, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

06.08.2008: südlich von Kunduz
Patric Sauer (24), Stabsgefreiter, Fallschirmjägerbataillon 263 (Zweibrücken)

15.08.2007: bei Kabul, Richtung Dschalalabad
Mario Keller (39), Polizeiobermeister, GSG 9 der Bundespolizei (Sankt Augustin)
Jörg Ringel (31), Kriminaloberkommissar, Bundeskriminalamt (Wiesbaden)
Alexander Stoffels (39), Polizeiobermeister, GSG 9 der Bundespolizei (Sankt Augustin)

19.05.2007: Kunduz
Michael Diebel (28), Hauptfeldwebel d. R., Bundeswehrdienstleistungszentrum / Materialdepot (Darmstadt)
Michael Neumann (48), Oberfeldwebel d. R., Marinearsenal (Kiel)
Matthias Standfuß (31), Hauptmann d. R., Bundesamt für Wehrverwaltung (Bonn)

14.11.2005: Kabul
Armin Franz (44), Oberstleutnant d. R., Feldersatzbataillon 901 (Köln)

25.06.2005: Rustak
Andreas Heine (37), Hauptfeldwebel, PRT Kunduz (Bad Oeynhausen / Ehra-Lessien)
Christian Schlotterhose (26), Oberfeldwebel , Panzergrenadierbataillon 332 (Wesendorf)

07.06.2003: Kabul
Jörg Baasch (25), Stabsunteroffizier, Fernmeldeaufklärungsregiment 940 (Daun)
Andreas Beljo (28), Oberfähnrich, Fernmeldeaufklärungsregiment 940 (Daun)
Helmi Jimeniz-Paradis (29), Feldwebel, Fernmeldeaufklärungsregiment 320 (Frankenberg)
Carsten Kühlmorgen (32), Oberfeldwebel, Fernmeldeaufklärungsregiment 320 (Frankenberg)

29.05.2003: bei Kabul, nahe Khairabad
Stefan Kamins (24), Stabsgefreiter, Amt für militärisches Geowesen / Geoinformationswesen (Euskirchen)

Komak aw Hamkari: Help and Cooperation
Es sind jene 22 Soldaten aufgelistet, die in ihrem Einsatz durch feindliche Kräfte getötet wurden.
(Stand: 12.01.2010)

Eine (wenn auch unvollständige) Übersicht über alle Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben verloren, sowie Verwundete und die Angriffe auf die Bundeswehr findet sich hier auf Deutsch und auf Englisch.

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