Blütenelegie (Elegia floris fici benj.)

Juni 14th, 2011 — 10:42a.m.

Nur sieben Blätter scheiden Tod von Leben, sieben Regungen und letzte traurige Wimpel,
eines einst so stolzen Hauptes niedergesenkt Tracht,
sieben Blätter, an die auch ich mein Bittgebet richte, und meine Hoffnung auflehn, aufstütz,
vergebens anbind, daß du, Freund, von neuem erblühest, erblühen mögest,
sieben Blätter verblieben der Hundertschar Pracht, sieben an Spitzen versiegten Gehölz, –

an deine dürren Arme, gestutzt, versehret, liegen des morgens, zunächst noch, an
Wundumschläge, an die ich abbinde, Trauerflor, den amputierten Gliedern, im treuen Bekenntnis an dein Atout,
und Abschied nehme nach fünfzehn Jahren, treuer Begleiter, mein alter Pança,
wovon diese Blätter aus stolzeren Tagen, jungem Trieb, von Aufbruch versprechen, an je und eh
noch künden tröstlich Gedanken, –

bevor in Gedenken sich wandelt, was einst vornweg, zum Himmel wärts, weise, gewiesen,
still mir den Platz wies und Heim und Traute,
im närrischen Toll mir Seit an Seit, zum Ratsspruch stand und zur Beschwörung,
kein Widerwort nimmer, und doch in wildem Gestammel Part
und stillen Dialogs offnes Barmen. –

Dein Umfangen vergalt ich in feigem Stoß:
beflügelt dein End in hilfloser Rettung, hilfloser Schmach. –
Fahr wohl, mein Sancho, ich folg dir auf dem Fuß.

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Kierkegaard als Bild

April 25th, 2011 — 5:13p.m.
Sprung zum Glauben

Sprung zum Glauben

„Sjelden høres en alvorligere Røst, der formaner Enhver at tage mod Livets Underviisning og at lade sig opdrage i Gjenvordighedens Skole, en prøvet Tale, der med al Eftertryk spørger: skulde en Riig frelses, skulde den Mægtige gaae ad den trange Vei, skulde den Lykkelige fornegte sig selv, skulde den Lærde og Kloge annamme den foragtede Sandhed.“

(Søren Kierkegaard: Tre opbyggelige Taler, Kjøbenhavn 1843, S. 46)

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Trump, Bohlen, Berlusconi

April 20th, 2011 — 3:30a.m.

„Manche Hähne glauben, daß die Sonne ihretwegen aufgeht.“
(Theodor Fontane: Fundstelle des Zitats nicht ausgewiesen)

Es ist keineswegs ein Zeitgeistphänomen, daß ein Sieger und Himmelsstürmer sich zunächst und zuvörderst als ebensolcher inszeniert – und damit (sich) den Weg ebnet zu Werdegang und Fortkommen. Nicht umsonst ist die Geschichte vom Emporkömmling aus der Dürftigkeit paradigmatisch für unser Verständnis von Erfolg; der „amerikanische Traum“ schließt in sich das klassische Narrativ von Streben und Disziplin, Biß und Tatkraft, aber auch immer auch ein Bewußstein von Selbsterwählt- und Selbstbestimmtheit des jeweiligen Geschicks; neben die Hoffnung tritt die Hybris.

„Ich hatte damals und habe heute noch eine unbegrenzte Hochachtung vor dieser unbestürmbaren Sicherheit gewisser Menschen, deren Selbstbewußtsein niemals zu weichen scheint, und obgleich ich wohl weiß, daß sie es sehr oft allein den Beschränkungen ihres Wesens verdanken und der glücklichen Blindheit für alle Hindernisse und für die Hemmungen der Andächtigeren, bleibt die Wirkung im Augenblick doch bestehen. Die Unfähigkeit solcher Menschen, einen Fehler bei sich vermuten zu können, gibt ihnen in den ärmlichen Schranken einer praktischen Frage oft einen Halt und Kraft zu raschen Entscheidungen, wie überhaupt nun einmal im Lauf der Welt ein mit Geschicklichkeit verbundener Nachteil oft weit mehr gilt und ausmacht als ein mit Ungeschick gepaarter Vorteil.“

ex: Waldemar Bonsels: Menschenwege, in: Notizen eines Vagabunden
Verlag von Th. Knaur Nachf., Berlin 1930, S. 9

Wie trefflich charakterisiert hier der uns heute fast gänzlich in Vergessenheit geratene Waldemar Bonsels jenen Zug, der erlaubt, Mittelmäßigkeit des Talents umzumünzen in (beruflichen, medialen, politischen) Aufstieg, aus Selbstüberschätzung eine Success Story zu spinnen und Verdienst und Anerkennung in der Errungenschaft des Leidlich-Gewöhnlichen zu generieren. Es ist das Selbstbewußtsein als Dafürhalten und Statement, nicht jenes im ersten, direkteren Sinne, das in Reflexion dauert und kümmert und kauert, sondern dieses, das überbordend, unbegrenzt und quasi apotheotisch die Gestalt der Selbstbehauptung annimmt, des Status, des sich Erfindens. Setzt es sich in Szene, geriert es rasch zum Bluff, Bockmist also oder Bull.

„The average millionaire is only the average dishwasher dressed in a new suit.“
(George Orwell: Down and Out in Paris and London, London 1933)

Hinzu gesellt sich ein markant materielles Verständnis von Ruhm und Vermögen. Wer die Gelegenheit am Schopf greift, und wer nur daneben steht, darin scheidet sich, wer auf Gedeih und Verderb im Weh bleibt und wer im Wohl zu seines eigenen Glückes Schmied wird. Dies Versprechen und Bekenntnis, das selbst eine unvergleichliche, unbeirrbare Erfolgsgeschichte ist, spornt jenen an, der sich im Vorbild verkörpert sieht und sehen will (als künftiger Geschäfts- oder Staatsmann, Medienmogul oder Duce), es inspiriert und erzieht zum Glauben – an sich und nochmals an sich selbst.

Einlösen können werden es nur wenige. Erfolg bleibt, in all seiner Gewöhnlichkeit heutigen Zuschnitts, emblematisch.

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Bos taurus humanus

April 15th, 2011 — 9:20p.m.

Eine simple Überschlagsrechnung, samt eines vielleicht naiven, aber gutherzigen Vorschlags:

Im Mittel verzehrte jeder Deutsche im Jahr 2009 60,5 Kilogramm tierischen Fleisches; in Summe waren dies effektiv 4,961 Milliarden Kilogramm, also knapp 5 Millionen Tonnen Fleisch, ausgedrückt in Schlachtgewicht. (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2009/10, S. 29) Etwa die Hälfte des Durchschnittsverzehrs, nämlich 30,4 Kilogramm, entfiel hierbei auf Fleischerzeugnisse wie Wurstwaren, Pasten oder Schinken. (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2009/10, S. 32) Der Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten findet in diesen Zahlen keine Berücksichtigung.

Nehmen wir der Einfachheit halber an, die Hälfte der deutschen Bevölkerung sei dadurch hinreichend charakterisiert, daß sie (a) Fleisch konsumiere, das sind also knapp 40 Millionen Esser, deren Fleischverzehr großteils durch Rind-, Schweine- und Geflügelzucht abgedeckt wird, und (b) daß diese 40 Millionen bereit seien, mittels eines kleinen Opfers Verzicht zu üben, bspw. an einem Tag in der Woche zusätzlich auf tierisches Fleisch zu verzichten. (Mit diesen Annahmen sei zugestanden, daß es durchaus manchen Fleischesser geben mag, der keinen Verzicht üben will oder solchen generell in Abrede stellt.) Ein durchschnittlicher Fleischkonsum von 1,16 kg / Woche entspricht einem Verzehr von circa 150-200 Gramm / Tag. Der Einfachheit halber sei der untere Wert gewählt, es werde also auf 150 Gramm / Woche verzichtet.

Wenn nun 40 Millionen Personen je Woche einmal z.B. auf den Verzehr von Rindfleisch und Rindfleischprodukten verzichteten, dann beliefe sich die eingesparte Menge an Rindfleisch im Jahr auf 40 Mio. x 52 x 0,15 kg, d.h. 312000 Tonnen Rindfleisch.

Zum Zeitpunkt der Schlachtung betrage, wiederum der Einfachheit halber, das durchschnittliche Lebendgewicht eines Fleischrindes nach der Mast circa 750 Kilogramm, d.h. eine dreiviertel Tonne, und dies sei äquivalent zum Schlachtgewicht.

(Diese Zahlen sind deutlich positiv überschätzt:

(1) Zum einen variiert das Lebendgewicht abhängig von Geschlecht, Alter und Rasse des Tieres und kann realistischer mit 550-750 kg angesetzt werden. Leitend sind folgende Angaben: „Die Jungbullenmast ist die bedeutendste Produktionsmethode in Deutschland.“ (Quelle: Wikipedia-Artikel: Rinderproduktion) „Verbreitete Fleischrassen sind beispielsweise Hereford, Charolais und Limousin.“ (Quellen: Wikipedia-Artikel: Hausrind, Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V.: Übersicht Fleischrinderrassen))

(2) Zum anderen wird in der Fleischproduktion zwischen Lebend- und Schlachtgewicht unterschieden, wobei letzteres „gesetzlich festgelegt [ist] als das Warmgewicht des geschlachteten und ausgeweideten Tieres“, sich also ergibt aus dem Abzug von „Haut, Blut, Magen, Därme[n], Kopf, Füße[n], Innereien und Fett“. (Quellen: Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e. V.: Agrarlexikon: Schlachtgewicht, Proviande / Schweizer Fleisch: Fleisch hat seinen Preis, S. 2) So beträgt das Schlachtgewicht beim Rind circa 50 % des Lebend- oder Mastgewichts, und 2010 wurde für Rinder z.B. ein mittleres Schlachtgewicht von 317 Kilogramm erfaßt. (Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt: Fleischproduktion 2010) Diese Unterscheidung sei in dieser Überschlagsrechnung aber vernachlässigt.)

Hier ist nun aber ein weiterer Aspekt zu beachten: In den tatsächlichen menschlichen Verzehr gelangen in der Fleischproduktion nur knapp zwei Drittel des Schlachtgewichts eines Schlachttieres, „da vom Schlachttierkörper wesentliche Teile wie Knochen, Sehnen oder Schwarten entweder nicht verzehrsfähig sind oder als Fette und sonstige Rohstoffe zur Weiterverarbeitung in die chemische Industrie gelangen“. Zudem werden „erhebliche Teile der verzehrsfähigen Menge an Fleisch und Innereien direkt an Tiere verfüttert oder gehen in die industrielle Tierfertignahrungsproduktion“. (Quelle: Deutscher Fleischer-Verband: Geschäftsbericht 2009/10, S. 29)

Somit muß die oben hergeleitete Menge an eingespartem Rindfleisch mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden, um, ausgedrückt in Schlachtgewicht, die tatsächliche Anzahl an Tieren zu errechnen, die ein Verzicht auf Fleischverzehr einsparen und der industriellen Verwertung entziehen würde:

312000 x 1,5 Tonnen Rindfleisch entsprechen also (mindestens) 468000 x 4/3 Tieren (zu je einer dreiviertel Tonne), d.h. 624000 Stück Vieh, die durch einen Verzicht, der nicht anders als maßvoll und minimal bezeichnet werden kann, der Rindfleischproduktion und Schlachtung entzogen werden könnten, und dies unter sehr bescheidenen Annahmen. (Entsprechend abgewandelte Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man Geflügel oder Schwein betrachtet, deren geringeres durchschnittliches Einzelgewicht nach Mast in der Folge ein erheblich höheres Einsparpotential erwarten läßt.)

Für einen Fleischesser, wie ich einer bin, stellt diese Überschlagsrechnung ein durchaus überzeugendes Argument dar, Fleisch, wenn ich es verzehre, zu genießen, aber dennoch immer wieder mir und meinem Körper etwas Gutes zu tun und einen kleinen Beitrag zu leisten, indem ich ein- oder mehrfach die Woche auf den Verzehr von Fleisch verzichte und mein kulinarisches Angebot variiere. Das Leid der Tiere anzuführen oder Umwelteffekte der Rindfleischproduktion (vgl. FAO-Report: Livestock’s Long Shadow, Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus: Ökobilanz), ganz zu schweigen von (in aller Regel kontraproduktivem) ideologisierendem militantem Vegetarismus, ist hierbei gar nicht vonnöten.

Mein Vorschlag lautet also: Sag nein zu Fleisch an dem einen oder anderen Tag; in der Summe danken es Dir viele, viele Tiere.

Mit Dank an BioBella hier zwei Verweise auf Projekte, die einen fleischlosen Tag die Woche befördern wollen:
Meat Free Monday Kampagne
Initiative Donnerstag – Veggietag

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??????? (Quatrains)

März 23rd, 2011 — 8:09p.m.

And a retreating Whisper, as I wake – / „The Flower that once has blown for ever dies.“

And once again there gather’d a scarce heard / Whisper among them; as it were, the stirr’d / Ashes of some all but extinguisht Tongue, / Which mine ear kindled into Living Word.

Ex: The Rubáiyát of Omar Khayyám of Naishápúr
2nd edition 1868, stanza XXVIII, verses 3-4, and XC, verses 1-4

Originally a spammer used these verses for a comment on one of my earlier entries; I decided to not give him the credit yet reproduce these awe-inspiring, splendid poetic lines. I am fairly impressed, though, with the meticulous design of the spam algorithm which mirrored the poetry it identified by just the same literary genre, strikingly so, citing from a work corresponding to the tone of its point of attack.

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Medien, Strata und Ethnien

März 17th, 2011 — 6:08a.m.

Die Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen bezeugt in ihren Leserkommentaren immer wieder eine Rezeption weit hinaus über das klassische, bürgerlich-liberale Lager bis hinein ins politisch linke Milieu, zuweilen in überraschendem Ausmaß. Wieweit solche Aufmerksamkeit sich dem Profil als konservativ-liberalem Blatt verdankt oder aber, partim, in Konträrfaszination motiviert ist, von trollig-drolligen Einträgen abgesehen, welche zwischen blauäugiger Naivität und weltrevolutionärer Phrase changieren, bietet Gelegenheit, vielfältig nachzusinnen über die politische Lagebestimmung von Land und Leuten und wohin die gesellschaftliche Mitte immer rascher zu streben (und irren) scheint. Aber auch die Leserschaft anderer Periodika besticht und überrascht immer wieder nolens volens, ad bonum, ad malum, so z.B. jene der Zeit als charakteristischem Medium des akademischen Bildungsbürgertums:

Kommentar eines Zeitlesers

Kommentar eines Zeitlesers


(Quelle: Integrationspolitik: Da lachen ja die Türken, Zeit Online vom 13.03.2011, Kommentarsektion)

… Einstellungen dieser Art gereichen der Zeit nun nicht aber zum Adel, sondern lassen mich eher grübeln ob des braunen Sumpfs unter der schalen, hauchdünnen Anmutung von Kultur und Zivilisation, die dieses Land (noch) scheiden von seiner unrühmlichsten Vergangenheit. Mit der Auflösung klassischer (Parteien-)Milieus springt Volkes Stimme immer erratischer und ungestümer im Karree und pendelt flatterhaft ohne Lot und verbindliche Norm. Es fragt sich, wann ein Verführer sich dieser Schwindelbewegungen skrupulös annimmt und aus der Pathogenese der Niedergang der zweiten Republik und Demokratie auf deutschem Boden, ad finem, eingeläutet wird.

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mmxi.i

März 8th, 2011 — 5:03a.m.

Weihnachten mit Thomas Mann
Hrsg. v. Sascha Michel
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2009

In schmucker Ausstattung wartet diese Anthologie, erschienen im Fischer-Verlagsimprint Fischer Klassik, mit einer Auswahl von Texten aus der Feder Thomas Manns auf, die allesamt inhaltlich oder zeitlich einen Bezug zum Weihnachtsfest ausweisen. Mann, der große Romancier, ist mit zwei längeren Auszügen aus den Buddenbrooks und dem Zauberberg vertreten, die je jene Passagen aus dem Werkkontext exzerpieren, die dem Heiligen Fest gewidmet sind, was sie nun aber auch all ihrer Bezüge verlustig gehen läßt. Es schmerzt ein wenig, die meisterliche Komposition so zerteilt zu sehen. Erquicklicher sind die aufgenommenen Briefe und Tagebücher Manns, die familiäre Stimmungsbilder und politische Kommentare, Lektürenotizen und kursorische Werkkritik versammeln und die vielfältige Korrespondenz Manns von 1890 an bis Ende 1954 schlaglichtartig beleuchten: Hesse, Dehmel, Verlagsvater Samuel Fischer und Bruder Heinrich und zahlreiche andere Adressaten und Gesprächspartner bezeugen Manns Rolle und Einbindung in die Gesellschaft Münchens, Princetons und Zürichs – wie auch das Exil in Pacific Palisades und Manns entschiedenen, bitter-ironischen Dammspruch über die alte Heimat:

„Amerika muß diesen Krieg erst lernen. Das Unglück von Pearl Harbor zeigt, wie wenig es noch eine Vorstellung hat von seiner bösen Unbedingtheit, seinem Radikalism. […] Von diesem Schauplatz [im Pazifik] ist wohl noch mancher Kummer zu erwarten. Desto mehr Vergnügen macht uns Adolf mit seinen inneren Stimmen und seiner ‚raison d’être.‘ (Als Eroberer Galliens fängt er an, sich des Französischen zu bedienen, wenn auch nicht ganz richtig.) Sein Tagesbefehl bei Entlassung der Generäle und eigener Uebernahme des Kommando’s war unbezahlbar. Seit der Jungfrau von Orleans ist etwas so Romantisches nicht mehr dagewesen. Ach, die heillose Kröte, wann wird ihr einer den Kopf zertreten?“ (Brief an Agnes E. Meyer vom 23.12.1941)

So rasch wird aus dem Heiland NS-Deutschlands im Handstreich die Unke in all ihrem Unglück gekehrt, eine Lektion, die viele „Volksgenossen“ erst später bitterlich lernen mußten. Neben solch brillanten Charakterisierungen und Sentenzen des Essayistikers finden sich zahllose Alltagskommentare, die ein Licht werfen auf die eiserne Disziplin, der sich Mann unterzog, und seine nicht selten aufflackernde Unlust ob all der Pflichten. Mann, der Hypochonder, tritt in Erscheinung. Hier bewirkt die Sammlung Neugierde, den Blick auf die Tagebücher über die Weihnachtstage hinaus zu weiten. Neben Thomas Mann lädt der Verlag in gleicher Ausführung, Prägestempel, güldenem Balken, christfestlichem Motivtitel, auch zur Weihnacht mit Kurt Tucholsky. Als Reminiszenz und Ermahnung, wieder einmal zu beider Autoren Œuvre erster Hand zu greifen, könnten die Anthologien gelingen, doch sie begnügen sich zur Unterhaltung. Der Leser kann nicht umhin, sich einzugestehen, zu kapitulieren vor dieser schnellebigen Zeit mit ihrer modularisierten Lesepraxis:

Warum sich hier bescheiden zur leichten Kost anstelle wuchtiger Bände? Warum Exzerpte und durchkämmter Streifzug anstelle eines sich in Fülle entfaltenden erzählerischen Duktus und stiebender Kurzprosa im Original? Es sind dies Bücher, die einladen zum Lesen nebenher, dem Leser die Kulturtechnik aber nicht mehr gewissenhaft abverlangen. Hierzu paßt auch, daß die editorische Textarbeit sehr übersichtlich bleibt; mithin Personen, Orte, Werke ohne Bezug und Erläuterung sind – und damit Schall und Rauch. So bleibt von der Blütenlese nur eine ungefähre Ahnung, und das ist schade.

121, (6) Seiten, Taschenbuch
dt.-sprachig
Sammlung, Prosa, Deutschland

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ephemera

Februar 22nd, 2011 — 11:14p.m.

?f?µe?a

(i)

snow
in tibet
death tolls, death bells
the wind a figment in the leaves
over a calm field, red
revolution

(ii)

garnish the slush in the streets
with your tip-toe, and walk
away

(iii)

they whisper of wind in the crowns
bare
-footed in morning dew
whisper of whereabouts, whither
the sun fled, whither
the eerie pale clouds cast doom
on thin thread-
bare
voices

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Spam extraordinaire

Februar 20th, 2011 — 1:03p.m.

„31 Jan 2011 …
An epileptic seizure is a transient episode of altered state of consciousness …
will tra-la-la-la-dol mess you up tra-la-la-la-dol with no prescription tra-la-la-la-dol time clock and ke-e-e-ppra …“*

Die Mehrzahl an Kommentaren mit Erwerbsziel stellt wenig mehr als virtuellen Vandalismus dar und fügt mit wenig Verstand oder in absentia einzig Wörter, Silben, Buchstaben beliebig aneinander als Füllmasse, um in redundanter Abfolge Kernbegriffe zu plazieren, Samen einzupflanzen inmitten völliger Dekontextualisierung, Virales zum Keimen zu bringen, so sich ein unvorsichtiger erster, erkundendener Schritt von sicherem Grund auf sie verirrt oder flotte Unbedacht allzu forsch voranprescht (klickt) – als trio [Keyword] [Keyword] [Keyword] infernale gleichsam. Die beiden hier angeführten Textstellen hingegen stellen gleichsam Exzerpte dar, die mit Verstand und von menschlicher Hand präzis gefügt und abgewogen auf ihre (zer)störerische Reise gesandt wurden, ohne Buße, ohne Absolvo, so daß sie immer noch am Rezipienten zagen und nagen und zehren an seiner Zeit und Aufmerksamkeit, gradualiter, sie verflüchtigen, aber doch so formschön in eins gebracht sind, daß ich willens bin, sie ihrer niederträchtigen Botschaft, arglosen Belagerung, zugrundeliegenden Gewöhnlichkeit entledigt in einen veritablen Text zu passen, einzupassen, hintanzustellen, daß ihre Schönheit und ihr Schliff sich dem Leser offenbaren und dieser – einen einen einen Moment zumindest – sich verführen lasse vom schlichten Gemüt, blanker Redlichkeit, mit welchen merkantiler Unverstand ins Abseits sich zu weisen bekennt: *plonk*.

„accomplished by hand or produced from distinct fabrics […]
knits (Crochet, Macrame, Tunisian, two needles)
jute, material and other woven fabrics
leather
materilas fabricated (tapes)
carton cardstock and derivatives
timber strands of banana leaf or comparable (sisal)“

*: Den Triller, die zagrûta, setze ich inspiriert von Curt Woytes Tacitus (1925) Fn. 31 hinzu, C16H25NO2 zu verschleiern.

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Mon cœur s’ouvre

Februar 4th, 2011 — 8:00p.m.

Frankreich trage ich im Herzen und öffne mich der ganzen Welt.

Et la plus belle est la fille du Roi des rois, la Reine-Enfant,
Reine du Sud ombreux et du Matin en l’an de l’ascension.
Son nom est cousu dans les bouches: j’en donne les masques mouvants.
Elle a l’éclat du diamant noir et la fraîcheur de l’aube, et la légèreté du vent.

(Léopold Sédar Senghor: 359)

Heureux du moins si cette existence qu’on a meurtrie
Demeure ainsi dans la murmurante patrie
Dont m’entoure depuis toujours le doux peuple des mots.

(Jacques Réda: 425)

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