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Blütenelegie (Elegia floris fici benj.)

Juni 14th, 2011 — 10:42am

Nur sieben Blätter scheiden Tod von Leben, sieben Regungen und letzte traurige Wimpel,
eines einst so stolzen Hauptes niedergesenkt Tracht,
sieben Blätter, an die auch ich mein Bittgebet richte, und meine Hoffnung auflehn, aufstütz,
vergebens anbind, daß du, Freund, von neuem erblühest, erblühen mögest,
sieben Blätter verblieben der Hundertschar Pracht, sieben an Spitzen versiegten Gehölz, –

an deine dürren Arme, gestutzt, versehret, liegen des morgens, zunächst noch, an
Wundumschläge, an die ich abbinde, Trauerflor, den amputierten Gliedern, im treuen Bekenntnis an dein Atout,
und Abschied nehme nach fünfzehn Jahren, treuer Begleiter, mein alter Pança,
wovon diese Blätter aus stolzeren Tagen, jungem Trieb, von Aufbruch versprechen, an je und eh
noch künden tröstlich Gedanken, –

bevor in Gedenken sich wandelt, was einst vornweg, zum Himmel wärts, weise, gewiesen,
still mir den Platz wies und Heim und Traute,
im närrischen Toll mir Seit an Seit, zum Ratsspruch stand und zur Beschwörung,
kein Widerwort nimmer, und doch in wildem Gestammel Part
und stillen Dialogs offnes Barmen. –

Dein Umfangen vergalt ich in feigem Stoß:
beflügelt dein End in hilfloser Rettung, hilfloser Schmach. –
Fahr wohl, mein Sancho, ich folg dir auf dem Fuß.

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Trump, Bohlen, Berlusconi

April 20th, 2011 — 3:30am

„Manche Hähne glauben, daß die Sonne ihretwegen aufgeht.“
(Theodor Fontane: Fundstelle des Zitats nicht ausgewiesen)

Es ist keineswegs ein Zeitgeistphänomen, daß ein Sieger und Himmelsstürmer sich zunächst und zuvörderst als ebensolcher inszeniert – und damit (sich) den Weg ebnet zu Werdegang und Fortkommen. Nicht umsonst ist die Geschichte vom Emporkömmling aus der Dürftigkeit paradigmatisch für unser Verständnis von Erfolg; der „amerikanische Traum“ schließt in sich das klassische Narrativ von Streben und Disziplin, Biß und Tatkraft, aber auch immer auch ein Bewußstein von Selbsterwählt- und Selbstbestimmtheit des jeweiligen Geschicks; neben die Hoffnung tritt die Hybris.

„Ich hatte damals und habe heute noch eine unbegrenzte Hochachtung vor dieser unbestürmbaren Sicherheit gewisser Menschen, deren Selbstbewußtsein niemals zu weichen scheint, und obgleich ich wohl weiß, daß sie es sehr oft allein den Beschränkungen ihres Wesens verdanken und der glücklichen Blindheit für alle Hindernisse und für die Hemmungen der Andächtigeren, bleibt die Wirkung im Augenblick doch bestehen. Die Unfähigkeit solcher Menschen, einen Fehler bei sich vermuten zu können, gibt ihnen in den ärmlichen Schranken einer praktischen Frage oft einen Halt und Kraft zu raschen Entscheidungen, wie überhaupt nun einmal im Lauf der Welt ein mit Geschicklichkeit verbundener Nachteil oft weit mehr gilt und ausmacht als ein mit Ungeschick gepaarter Vorteil.“

ex: Waldemar Bonsels: Menschenwege, in: Notizen eines Vagabunden
Verlag von Th. Knaur Nachf., Berlin 1930, S. 9

Wie trefflich charakterisiert hier der uns heute fast gänzlich in Vergessenheit geratene Waldemar Bonsels jenen Zug, der erlaubt, Mittelmäßigkeit des Talents umzumünzen in (beruflichen, medialen, politischen) Aufstieg, aus Selbstüberschätzung eine Success Story zu spinnen und Verdienst und Anerkennung in der Errungenschaft des Leidlich-Gewöhnlichen zu generieren. Es ist das Selbstbewußtsein als Dafürhalten und Statement, nicht jenes im ersten, direkteren Sinne, das in Reflexion dauert und kümmert und kauert, sondern dieses, das überbordend, unbegrenzt und quasi apotheotisch die Gestalt der Selbstbehauptung annimmt, des Status, des sich Erfindens. Setzt es sich in Szene, geriert es rasch zum Bluff, Bockmist also oder Bull.

„The average millionaire is only the average dishwasher dressed in a new suit.“
(George Orwell: Down and Out in Paris and London, London 1933)

Hinzu gesellt sich ein markant materielles Verständnis von Ruhm und Vermögen. Wer die Gelegenheit am Schopf greift, und wer nur daneben steht, darin scheidet sich, wer auf Gedeih und Verderb im Weh bleibt und wer im Wohl zu seines eigenen Glückes Schmied wird. Dies Versprechen und Bekenntnis, das selbst eine unvergleichliche, unbeirrbare Erfolgsgeschichte ist, spornt jenen an, der sich im Vorbild verkörpert sieht und sehen will (als künftiger Geschäfts- oder Staatsmann, Medienmogul oder Duce), es inspiriert und erzieht zum Glauben – an sich und nochmals an sich selbst.

Einlösen können werden es nur wenige. Erfolg bleibt, in all seiner Gewöhnlichkeit heutigen Zuschnitts, emblematisch.

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??????? (Quatrains)

März 23rd, 2011 — 8:09pm

And a retreating Whisper, as I wake – / „The Flower that once has blown for ever dies.“

And once again there gather’d a scarce heard / Whisper among them; as it were, the stirr’d / Ashes of some all but extinguisht Tongue, / Which mine ear kindled into Living Word.

Ex: The Rubáiyát of Omar Khayyám of Naishápúr
2nd edition 1868, stanza XXVIII, verses 3-4, and XC, verses 1-4

Originally a spammer used these verses for a comment on one of my earlier entries; I decided to not give him the credit yet reproduce these awe-inspiring, splendid poetic lines. I am fairly impressed, though, with the meticulous design of the spam algorithm which mirrored the poetry it identified by just the same literary genre, strikingly so, citing from a work corresponding to the tone of its point of attack.

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mmxi.i

März 8th, 2011 — 5:03am

Weihnachten mit Thomas Mann
Hrsg. v. Sascha Michel
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2009

In schmucker Ausstattung wartet diese Anthologie, erschienen im Fischer-Verlagsimprint Fischer Klassik, mit einer Auswahl von Texten aus der Feder Thomas Manns auf, die allesamt inhaltlich oder zeitlich einen Bezug zum Weihnachtsfest ausweisen. Mann, der große Romancier, ist mit zwei längeren Auszügen aus den Buddenbrooks und dem Zauberberg vertreten, die je jene Passagen aus dem Werkkontext exzerpieren, die dem Heiligen Fest gewidmet sind, was sie nun aber auch all ihrer Bezüge verlustig gehen läßt. Es schmerzt ein wenig, die meisterliche Komposition so zerteilt zu sehen. Erquicklicher sind die aufgenommenen Briefe und Tagebücher Manns, die familiäre Stimmungsbilder und politische Kommentare, Lektürenotizen und kursorische Werkkritik versammeln und die vielfältige Korrespondenz Manns von 1890 an bis Ende 1954 schlaglichtartig beleuchten: Hesse, Dehmel, Verlagsvater Samuel Fischer und Bruder Heinrich und zahlreiche andere Adressaten und Gesprächspartner bezeugen Manns Rolle und Einbindung in die Gesellschaft Münchens, Princetons und Zürichs – wie auch das Exil in Pacific Palisades und Manns entschiedenen, bitter-ironischen Dammspruch über die alte Heimat:

„Amerika muß diesen Krieg erst lernen. Das Unglück von Pearl Harbor zeigt, wie wenig es noch eine Vorstellung hat von seiner bösen Unbedingtheit, seinem Radikalism. […] Von diesem Schauplatz [im Pazifik] ist wohl noch mancher Kummer zu erwarten. Desto mehr Vergnügen macht uns Adolf mit seinen inneren Stimmen und seiner ‚raison d’être.‘ (Als Eroberer Galliens fängt er an, sich des Französischen zu bedienen, wenn auch nicht ganz richtig.) Sein Tagesbefehl bei Entlassung der Generäle und eigener Uebernahme des Kommando’s war unbezahlbar. Seit der Jungfrau von Orleans ist etwas so Romantisches nicht mehr dagewesen. Ach, die heillose Kröte, wann wird ihr einer den Kopf zertreten?“ (Brief an Agnes E. Meyer vom 23.12.1941)

So rasch wird aus dem Heiland NS-Deutschlands im Handstreich die Unke in all ihrem Unglück gekehrt, eine Lektion, die viele „Volksgenossen“ erst später bitterlich lernen mußten. Neben solch brillanten Charakterisierungen und Sentenzen des Essayistikers finden sich zahllose Alltagskommentare, die ein Licht werfen auf die eiserne Disziplin, der sich Mann unterzog, und seine nicht selten aufflackernde Unlust ob all der Pflichten. Mann, der Hypochonder, tritt in Erscheinung. Hier bewirkt die Sammlung Neugierde, den Blick auf die Tagebücher über die Weihnachtstage hinaus zu weiten. Neben Thomas Mann lädt der Verlag in gleicher Ausführung, Prägestempel, güldenem Balken, christfestlichem Motivtitel, auch zur Weihnacht mit Kurt Tucholsky. Als Reminiszenz und Ermahnung, wieder einmal zu beider Autoren Œuvre erster Hand zu greifen, könnten die Anthologien gelingen, doch sie begnügen sich zur Unterhaltung. Der Leser kann nicht umhin, sich einzugestehen, zu kapitulieren vor dieser schnellebigen Zeit mit ihrer modularisierten Lesepraxis:

Warum sich hier bescheiden zur leichten Kost anstelle wuchtiger Bände? Warum Exzerpte und durchkämmter Streifzug anstelle eines sich in Fülle entfaltenden erzählerischen Duktus und stiebender Kurzprosa im Original? Es sind dies Bücher, die einladen zum Lesen nebenher, dem Leser die Kulturtechnik aber nicht mehr gewissenhaft abverlangen. Hierzu paßt auch, daß die editorische Textarbeit sehr übersichtlich bleibt; mithin Personen, Orte, Werke ohne Bezug und Erläuterung sind – und damit Schall und Rauch. So bleibt von der Blütenlese nur eine ungefähre Ahnung, und das ist schade.

121, (6) Seiten, Taschenbuch
dt.-sprachig
Sammlung, Prosa, Deutschland

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ephemera

Februar 22nd, 2011 — 11:14pm

?f?µe?a

(i)

snow
in tibet
death tolls, death bells
the wind a figment in the leaves
over a calm field, red
revolution

(ii)

garnish the slush in the streets
with your tip-toe, and walk
away

(iii)

they whisper of wind in the crowns
bare
-footed in morning dew
whisper of whereabouts, whither
the sun fled, whither
the eerie pale clouds cast doom
on thin thread-
bare
voices

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Mon cœur s’ouvre

Februar 4th, 2011 — 8:00pm

Frankreich trage ich im Herzen und öffne mich der ganzen Welt.

Et la plus belle est la fille du Roi des rois, la Reine-Enfant,
Reine du Sud ombreux et du Matin en l’an de l’ascension.
Son nom est cousu dans les bouches: j’en donne les masques mouvants.
Elle a l’éclat du diamant noir et la fraîcheur de l’aube, et la légèreté du vent.

(Léopold Sédar Senghor: 359)

Heureux du moins si cette existence qu’on a meurtrie
Demeure ainsi dans la murmurante patrie
Dont m’entoure depuis toujours le doux peuple des mots.

(Jacques Réda: 425)

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Bis zum Hals

Januar 12th, 2011 — 5:22am

Wassersnoth / Liebesklage1

Zu Koblenz auf der Brücken / da lag ein tiefer Schnee.
Der Schnee, der ist verschmolzen, / das Wasser fließt zum See.

Es fließt in Liebchens Garten, / da wohnet niemand drein.
Ich kann da lange warten; / es stehn zwei Bäumelein.

Koblenz, Hochwasser 01/2011

Koblenz, Kaiserin-Augusta-Promenaden: Hochwasser 01/2011

Die sehen mit den Kronen / noch aus dem Wasser grün.
Mein Liebchen muß drin wohnen, / ich kann nicht zu ihr hin.

Koblenz Hochwasser 01/2011

Koblenz, Deutsches Eck: Hochwasser 01/2011

Wenn Gott mich freundlich grüßet / aus blauer Luft und Thal,
aus diesem Flusse grüßet / mein Liebchen allzumal.

Sie geht nicht auf der Brücken, / da gehn viel schöne Fraun.
Sie tun mich viel anblicken, / ich mag die nicht anschaun.

(Sagen und Lieder ut ôler Welt, gesammelt v. Wilhelm Busch,
hrsg. v. seinem Neffen Otto Nöldeke. Lothar Joachim: Leipzig 1922, S. 95)

1: Dies Lied, eine deutsche Volksweise, wird in Arnims / Brentanos „Des Knaben Wunderhorn“ unter dem Titel „Wassersnoth“ geführt. In der Sammlung Buschs ist es unter dem Titel „Liebesklage“ verzeichnet, ohne daß Aufschluß gegeben wird für das abweichende Lemma und die Textvarianten.

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April 13th, 2010 — 10:45pm

Ausgrabungen alter Wörter befördern Geschichtliches hervor, und dies auch abseits der Etymologie.

Plenum / Endfassungen 1 – ix / 2004
Plenum / Endfassungen 2 – ii / 2005

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Tüchtigkeit

März 30th, 2010 — 9:30pm

Er war stark von Gliedern, alle im äussersten Wohlverhältnisse. Sein Gang war fest, nicht schwankend, nicht stattlich, nie übereilt. In seinem Angesichte war eine Uebereinstimmung von Treuherzigkeit und Würde ohne Anmaßung, von Verstande, vereinigt mit Fülle und Feinheit der Empfindung, die sich nicht beschreiben läßt, aber Jedem Zutrauen zu diesem Gesichte einflößte. […] In seinem ganzen Wesen war Ernst mit Freundlichkeit verbunden. Sein Mund lachte selten, aber fast beständig schwebte auf seiner heitern Stirn und auf seinem ganzen Antlitze das unauslöschliche Lachen, das Homer seinen Göttern zuschreibt. Er war gastfrey und hielt ein ansehnliches Haus; er selbst war mäßig.

(Friedrich Nicolai: Leben Justus Mösers, Berlin u. Stettin 1797, S. 102f.)

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mmix.xxvi

Januar 6th, 2010 — 6:22am

Paul Auster: Oracle Night
Faber and Faber, London 2004

beg, bee: 30.12.2009, 05.01.2010

243 Seiten, Festeinband
engl.-sprachig
Roman, Literatur, Postmoderne, Vereinigte Staaten

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